Blutlinien - Koeln Krimi
herzustellen und auszumerzen, was nicht sein darf. Ich spüre Überlegenheit. Adrenalin schießt in jede Zelle meines Körpers. Dieser Raum ist meine Arena. Daumen hoch oder runter. Gnade oder nicht. Leben. Tod. Ich muss lächeln. Habe ich je zugunsten einer dieser Kreaturen entschieden? Jemals einen entkommen lassen?
Niemals. Nicht einmal meine Tante.
Als er sich umdreht, zögere ich keinen Augenblick und ramme ihm das Messer in den Bauch. Tief stoße ich die Klinge ins weiche Gewebe und blicke dabei in grüne Augen. Seine dürren Finger krallen sich ins Neopren.
Dem widerlichen Lippenstiftmund entfährt ein dumpfer Laut, dabei reißt er die Augen auf, knickt ein wie eine Marionette, der die Fäden durchtrennt wurden. Er fällt nach vorne, rutscht langsam zu Boden und bleibt auf dem Bauch liegen. Das weiße Hemd verfärbt sich an den Seiten rot, und ich muss an Löschpapier denken.
Das Wasser im Kocher sprudelt, das Gerät schaltet sich nicht automatisch ab. Dampf fliegt an das Fenster und die hellbraunen Kacheln, perlt ab. Ich sehe hinaus. Dicht stehen die Häuser in diesem Hinterhof beieinander. Der Tattrige rappelt sich auf und schleppt sich aus der Küche. Erstaunlich. So viel Überlebenswillen hätte ich ihm nicht zugetraut. Seine Schritte hinterlassen eine Blutspur auf den hellen Kacheln der Küche. Rut un Wiess.
Er flieht auf den Flur, ich höre ihn stöhnen und folge ihm ohne Eile. Kurz vor der Wohnungstür reiße ich ihn herum. Ein gezielter Stich in die Brust beendet sein jämmerliches Leben. Er sackt zusammen und bleibt regungslos liegen. Gierig sauge ich den unverwechselbaren Geruch von Blut ein. Ich muss mich beherrschen, will nicht in einen Rausch geraten. Konzentriere dich auf das Notwendige!
Es klingelt. Wiederholt. Verdammte Scheiße. Besuch. Stimmt, er hatte Tee aufgebrüht. Viktor. Er könnte einen Schlüssel haben. Unsinn, dann würde er nicht schellen. Und wenn doch, ist es egal. Ich schlitze ihn ebenfalls auf. Dabei kann es keinen Falschen treffen. Auch Befürworter sind Gegner.
Es klingelt noch einmal, und es fällt mir schwer, abzuwarten, ruhig zu bleiben.
Ich sitze mit dem Rücken an der Wand auf dem Boden, rühre mich nicht, bis es lange genug still bleibt.
Viktor enttäuscht mich. Er hat wenig ambitioniert um Einlass ersucht. Was für ein Satz. Schwülstige Ausdrucksweise. Meine Tante hat mich deshalb manchmal aufgezogen. Ich erhebe mich träge, betrachte die Blutspur, die sich von der Küche in den Flur zieht. Das Profil meiner Gummisohlen hat hässliche Abdrücke auf dem Boden hinterlassen. Rote Schneespuren. Muss ich sie beseitigen? Kann die Polizei ansonsten Schlüsse ziehen? Vielleicht. Aber sie kommen mir nicht auf die Schliche. Ich werfe ihnen diesen Happen hin.
Durst. Ich muss etwas trinken. Neben der Heizung steht eine angefangene Sprudelflasche, ich kippe Wasser in meine Kehle.
Auf einmal wird mein Atmen schwer. Ich springe vor, reiße das Fenster auf, inhaliere frische Abendluft und beruhige mich. Diese Attacken wundern mich, aber ich weigere mich, sie zu hinterfragen. Ich schlendere durch leer geräumte Zimmer, die viel gesehen haben und auf Neues warten. Wollmäuse, überall.
Bevor ich gehe, ziehe ich den Stecker des Wasserkochers. Ich will nicht, dass die Wohnung abfackelt. Die Bullen sollen einen ordentlichen Tatort vorfinden.
Als ich beschließe aufzubrechen, registriere ich, dass sich der Alte bewegt. Anscheinend hat er sieben Leben.
Ich wende mich ihm zu und betrachte seinen blutüberströmten Körper, der in einer dunkelroten Lache liegt. Sein letzter Atemzug kann nur Sekunden entfernt sein. Ich knie nieder, bringe mein Gesicht ganz nah an seine Visage und inhaliere den Gestank des Todes, den seine Poren ausdünsten.
»Wer für Tand und Schande ficht, den hauen wir in Scherben«, hauche ich ihm auf seinem letzten Weg entgegen, nehme die Tüte, Mantel und Mütze, überlasse ihn seinem Schicksal und eile zum Rhein.
Nächtliche Stille. Ich wate in den Fluss, wasche Stiefel, Handschuhe und das Messer, stelle mich bis zur Brust ins Wasser. Wieder am Ufer entledige ich mich zügig des Anzugs und schlüpfe in meine Sachen.
Ich muss nicht zur Arbeit, auch deshalb zieht mich nichts nach Hause. Es riecht nach Herbst. Kalt ist es trotzdem nicht. Blutgeruch begleitet mich, klebt an den feinen Flimmerhärchen meiner Nase. Gierig fülle ich meine Lungen mit reiner Luft. Heute bin ich zu Fuß unterwegs und laufe Richtung Stammheim den Rhein entlang. Ich mag diese
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