Blutlinien - Koeln Krimi
vertieft.
»Was machst du denn hier?«
Maline fuhr herum. Modische Kurzhaarfrisur. Dominante Brille.
Küsschen links. Küsschen rechts.
»Dich habe ich hier nicht erwartet.« Jasmin musterte Maline unverhohlen. »Gut siehst du aus. Bist du beruflich unterwegs?«
Gegen ihren Willen musste Maline lachen. Sie hatte die Journalistin als nervige Schnüfflerin in ihrem ersten Fall beim KK 11 kennengelernt und später eine kurze Affäre mit ihr gehabt. Seither pflegten sie lockeren Kontakt, und egal, wo sie sich trafen, meist ermittelte Maline dann tatsächlich. Jasmin Klerk konnte Blut aus Kilometern riechen wie ein Hai.
»Ich bin privat hier«, log Maline. Sie hatte keine Lust auf ein Kreuzverhör, und ihren Namen wollte sie am nächsten Morgen auch nicht in der Zeitung lesen.
»Bist du allein?«, fragte Jasmin.
»Nein«, antwortete Hanna für Maline und drängte sich an Jasmin vorbei auf ihren Platz. Lou und sie waren Jasmin in der Zeit der Affäre manchmal begegnet und hatten sie von Anfang an nicht gemocht. Die Begrüßung fiel entsprechend frostig aus. Hanna gab sich keine Mühe, ihre Aversion zu verbergen.
Jasmin bestellte Kölsch und machte keine Anstalten, das Feld zu räumen. Aus Erfahrung wusste Maline, dass sie ein dickes Fell hatte und Antipathie ohne Weiteres wegsteckte.
Die Servicekraft legte einen Zettel auf den Tisch. »Hier sind die Namen und Handynummern, es sind nur fünf.«
Maline steckte die Notiz schnell ein, sprang vom Hocker und zog die Bedienung außer Hörweite. »Habt ihr einen Verdacht wegen der Diebstähle? Hat sich irgendjemand merkwürdig verhalten, oder ist euch in letzter Zeit jemand aufgefallen?«
»Nein.«
Maline ging zurück an den Tisch.
»Wie ein Privatbesuch sieht das aber ganz und gar nicht aus.« Jasmin verzog spöttisch das Gesicht. »Ich hätte nicht gedacht, dass du mich so schamlos anlügst. Also, raus mit der Sprache, in welcher Sache ermittelst du?«
»Kein Kommentar«, sagte Maline und nippte an ihrem Kölsch.
Jasmin wollte etwas erwidern, aber Hanna kam ihr zuvor.
»Du hast doch gehört, was Maline gesagt hat. Wir sind privat hier und wollen uns in Ruhe unterhalten.«
* * *
Kopfsteinpflaster unter meinen Sohlen. Ich rieche den Rhein, suche mir einen abgelegenen Platz und warte auf die Dunkelheit. Als ich mich aufmache, gehe ich zielstrebig. Die Sonne ist hinter dem Stadtpanorama wie ein roter Ball untergegangen, sie ist einem blassen Halbmond gewichen.
Es ist mild, ein herrlicher Abend. Vielleicht der letzte dieser Art in diesem Jahr.
Langsam nähere ich mich dem Altbau. Zweimal drücke ich die Klingel. Es dauert, bis der Summer ertönt. Wie leichtsinnig die meisten Menschen ihre Türen doch öffnen. Im Treppenhaus riecht es nach chinesischem Essen. Spione sind nicht vorhanden, gut für mich. Zu meiner Überraschung ist die Tür angelehnt. So leicht macht man es mir nicht immer. Mit Ruhe ziehe ich die Handschuhe an und streife die Sturmmaske über, unter der ich immer schwitze wie ein Schwein.
»Viktor, mein Lieber! Hast du umsonst vor der neuen Wohnung gewartet? Ich habe noch ein wenig sauber gemacht und die Zeit vergessen. Alles hat länger gedauert als geplant.« Seine Stimme ist rauchig, und offenbar erwartet er Besuch.
Sachte schließe ich die Wohnungstür. Keine Garderobe, mich begrüßt ein nackter Flur. Trenchcoat samt Mütze landen auf dem Boden, ebenso die Tüte mit meinen Klamotten. Hier geschieht Veränderung. Auszug.
»Ich bin in der Küche, brühe gerade Tee auf. Der Wasserkocher ist ja noch geblieben. Die kernigen Kerle sind erst seit einer Stunde fort. Schnell waren sie nicht, aber es hat alles gut geklappt.«
Sachte stoße ich die Tür auf, das Messer in der linken Hand. Auch hier keine Möbel. Ein Lichtstrahl fällt auf meine Gummistiefel. In der Luft hängt der Geruch des Alters, Wasserdampf und Leere.
»Ach ja, ein paar Handtücher und Toilettenartikel habe ich auch hierbehalten. Und du hast recht, mir wird ganz schwer ums Herz, jetzt, wo alles fort ist.«
Er plappert und plappert. Es sind seine letzten Worte, bevor er für immer schweigt. Hätte er andere gewählt, wenn er das große Schweigen geahnt hätte?
Er steht mit dem Rücken zu mir vor einem Stuhl, auf dem ein Wasserkocher steht, trägt dunkle altertümliche Gummihosenträger über einem weißen Hemd. Dünnes Haar glänzt feucht und reicht nicht für die Glatze.
Auf der Stuhllehne hängt eine Perücke.
Ich stehe reglos. Abscheu mischt sich mit dem Bedürfnis, Ordnung
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