Blutlinien - Koeln Krimi
bald tauche ich ebenfalls ein in das Banale, lasse mich mitreißen, fluche wie die anderen über den FC , um letztlich die erneute Niederlage mit einem Schulterzucken fortzuwischen. Stundenlang könnte ich so stehen, aber wie so oft gibt es auch hier einen Störer. Diesmal ist es ein Greis mit Rauschebart. Unaufgefordert stimmt er »Rut un Wiess« an. Meine Laune schlägt um. Wie gesagt, Sentimentalitäten sind nicht mein Ding. Die Kölner singen sich ein, finden kein Ende, reihen Lied an Lied, auch die Trauergäste.
Ich muss noch etwas bleiben. Notgedrungen. Die Straßen sollen sich leeren, ich kann keine Zeugen gebrauchen.
Ich steige auf Cola um, will mich nicht betrinken. Als es Zeit wird, zahle ich und verschwinde auf die Toilette. Hastig reiße ich mir die Kleider vom Leib, ziehe den Neoprenanzug aus der Tüte, schlüpfe hinein und stopfe die Sachen in den Plastikbeutel. Meine Armbanduhr nehme ich vom Handgelenk und schiebe sie zwischen die Kleidung. Das Umziehen geht immer schneller. Jetzt wieder in die Stiefel, Mütze auf, Mantel überwerfen und zügig die Kneipe verlassen.
»Gezeiten«, Balthasarstraße
Hanna und Maline kippten Holunderblütenschnaps. Auf der Wandtafel hinter der Theke wurde auf selbst gemachte Marmelade hingewiesen. Adele beschallte den Gastraum mit »Rolling In The Deep«.
»Jetzt muss ich schon mit dir ermitteln gehen, damit wir etwas zusammen trinken«, beschwerte sich Hanna, lachte und kippte gleich noch einen Schnaps herunter. »Weißt du schon, dass Michel und Clemens zweimal aus waren?«
»Echt?« Maline war wirklich überrascht. »So gut kennen sich die beiden doch gar nicht.«
»Eben«, sagte Hanna und winkte der Kellnerin. »Ich habe langsam das Gefühl, dass mein Leben an mir vorbeirauscht, während sich alle anderen amüsieren.«
»Ist das nicht auch ein Grund, warum du die Bäckerei abgeben willst?«
Hanna legte den Kopf schräg und sah Maline an. »Ja, das stimmt. Ich roste ja förmlich ein und mache mir über sonst was den Kopf. Also, wenn ich zum Beispiel Michel und Clemens betrachte, die treffen sich einfach, trinken Kölsch und quatschen eine Runde miteinander. Ich dagegen traue mich nicht, Michel anzusprechen, obwohl ich gerne mal mit ihm ausgehen würde.«
»Ich denke, das liegt daran, dass du mit Michel zusammenarbeitest und ihn darüber hinaus auch noch attraktiv findest«, sagte Maline. »Solche Probleme haben die beiden Männer nicht.«
»So toll finde ich ihn auch wieder nicht«, sagte Hanna.
»Dann verstehe ich dein Problem nicht«, antwortete Maline. »Ich müsste übrigens unbedingt mal auf den Dachboden über Michels Wohnung. In einer der Kisten liegen meine Fotoalben. Ich möchte meinem Vater eine Freude machen und sie zum nächsten Besuch im Pflegeheim mitbringen. Vielleicht dringe ich damit zu ihm durch.«
»Dann geh doch einfach kurz in die Wohnung, auch wenn Michel nicht da ist. Er hat bestimmt nichts dagegen, und außerdem kann er froh sein, dass du die Bude so anstandslos geräumt hast. Schließlich hat er ja nichts zu verbergen.«
»Okay.«
»Wie geht es Lou?«, fragte Hanna.
Maline berichtete, dass sie am Abend zuvor bereits stabil gewirkt hatte. »Sie glaubt, dass sie schon morgen verlegt wird.«
»Wie immer ist unsere Lou ziemlich ungeduldig«, meinte Hanna. »Aber ich bin ja froh, dass es ihr besser geht.«
Maline zeigte ihren Dienstausweis und schob die beiden Fotos über den Bistrotisch, als die nächste Runde gebracht wurde.
Die kleine zierliche Bedienung betrachtete Johanna Feldhaus und Karina Marcks genau, hielt die Fotos sogar ins Licht.
»Nie gesehen, weder die eine noch die andere, sorry. Stammgäste sind die nicht.«
Zwei Frauen kamen herein und setzten sich auf die Barhocker am Tresen. Die Bedienung nickte ihnen zu.
»Habt ihr in letzter Zeit vermehrt mit Diebstahl zu tun?«, fragte Maline.
»Ja. Es haben sich Gäste beschwert. Von einigen haben wir die Namen notiert, falls hier wieder etwas auftaucht. Wenn Sie die Namen der Bestohlenen haben wollen, frage ich die Chefin danach.«
»Das wäre super.«
Eine leise Glocke ertönte.
»Die Küche ruft«, sagte die Bedienung. »Heute ist ziemlich was los.« Sie nickte Maline noch einmal zu.
Während Hanna auf die Toilette im Untergeschoss verschwand, ließ Maline den Blick durch den Laden schweifen. Sämtliche Tische waren besetzt. Im abgetrennten Bereich hinter dem Durchbruch klopften fünf Frauen Karten, und an der Theke saß ein junger Typ in sein Smartphone
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