Blutlinien - Koeln Krimi
Brückenseite Deutz entgegen.
Kein Mensch ist zu sehen, trotzdem muss ich aufpassen. Gezielt gehe ich ans Werk, entferne rasch siebzehn Schlösser und werfe sie zu ihren Schlüsseln in den dunklen Strom. Bis vor Kurzem habe ich die Dinger mit nach Hause geschleppt. Aber wozu? Als ich meine Arbeit gerade fortsetzen will, klopft mir jemand auf die Schulter. Ich erschrecke fast zu Tode. Ein Typ mit Rollkragenpullover baut sich vor mir auf.
»Was machen Sie da?«
Er siezt mich, will Distanz halten, sich nicht mit mir verbrüdern. Ich muss lächeln und unterdrücke den Impuls, dem Idioten den Bolzenschneider in seinen Wohlstandsbauch zu stoßen. Es würde mir nichts ausmachen, das Arschloch über das Geländer zu werfen. Aber ich höre auf eine innere Eingebung und entscheide mich für Scheinheiligkeit, zudem gehört er nicht zu der Gruppe, auf die ich es abgesehen habe.
»Wir waren so glücklich, Silvana und ich. Jetzt hat sie einen anderen. Unsere Liebe braucht kein Symbol mehr.«
Der Kerl schaut betroffen. »Mann, das tut mir echt leid.«
So habe ich ihn eingeschätzt. Ein Weichei.
Ich schaue ihm einen Moment nach, warte, bis die Luft rein ist, und arbeite weiter, nähere mich dabei der anderen Rheinseite. Das ist gut, ich muss meine Uhr holen und sollte mich jetzt aufmachen. Aber es ist wie auf einem Erdbeerfeld. Du hast genug Früchte im Eimer und siehst noch eine besonders rote, die du unbedingt pflücken musst. Und so gehst du weiter und weiter und findest kein Ende.
Schließlich reiße ich mich los und schwinge mich aufs Rad. Genug getrödelt, es stehen Dinge an, die sich nicht aufschieben lassen.
Köln-Nippes, Gustav-Nachtigal-Straße
»Halb sieben! Aufstehen!« Unbarmherzig schlug Maline auf den Lichtschalter. Die Luft in Friedas Zimmer war zum Schneiden. »Los, ihr zwei, raus aus dem Bett. In fünfzehn Minuten gibt es Frühstück.«
Maline ging ins Badezimmer, zog sich die verschwitzten Joggingsachen aus, duschte, putzte die Zähne, entfernte ein Post-it von Wilsons fast leerem Rasierwasser und stopfte den Zettel in die Tasche ihrer Jogginghose.
Auf dem Weg zur Küche huschte sie in ihr Zimmer. Charlie war bereits wach und lackierte mit Hingabe und seelenruhig ihre Fußnägel.
»Ich dachte, du bringst mir Kaffee?«, sagte sie und machte einen Schmollmund.
»Kommt sofort. Und wenn die Kinder aus dem Haus sind, kümmere ich mich um dich«, versprach Maline, eilte aus dem Zimmer, brachte Charlie den versprochenen Kaffee und ärgerte sich im Vorbeigehen über die Wachsflecken auf der Fensterbank im Flur. Offensichtlich hatte Frieda mal wieder die Kerzen des gusseisernen Leuchters brennen lassen. Maline eilte die Treppe hinunter, deckte für das Frühstück und setzte sich mit der Zeitung an den Tisch. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis Frieda in Wilsons Begleitung erschien.
Maline legte den Stadt-Anzeiger zur Seite. Wilson schenkte sich und Frieda Kaffee ein.
»Gibt es keine Spiegeleier?«, fragte er.
»Du kannst gerne welche braten«, sagte Maline und gab sich alle Mühe, gelassen zu klingen.
Wilson zog die Schultern hoch und vertiefte sich in sein Smartphone.
»Ich bin so froh, dass meine Mutter von der Intensivstation verlegt wird«, sagte Frieda und strahlte übers ganze Gesicht. »Nikodemus hat mich gestern Abend noch angerufen und mir die gute Nachricht mitgeteilt.«
Maline schmierte Brötchen für sich und Charlie. »Ja, sie erholt sich wirklich gut.«
Wilson beugte sich zu Frieda und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Siehst du.«
»Ich besuche sie heute nach der Schule.« Frieda sah zu Wilson hinüber. »Kommst du mit?«
»Geht nicht. Ich muss nach der Arbeit zum Fußballtraining.«
Frieda wirkte enttäuscht.
Maline zog das Post-it aus ihrer Jogginghose, schob es über den Tisch zu Wilson und achtete darauf, dass sie freundlich klang. »Ich möchte keine gelben Zettel mehr in diesem Haus von dir finden, okay?«
Wilson schielte zu Frieda.
»Wir kümmern uns alle selbst um unsere Angelegenheiten, und das gilt ab jetzt auch für dich.« Maline stand auf und stellte ihre Kaffeetasse in die Spülmaschine. »Ich habe heute Morgen eine halbe Stunde die Küche aufgeräumt, das Bad geputzt und den Müll rausgetragen, auch deinen, Wilson! Den Rest der Woche bringst du den Abfall in die Tonne. Und hier ist eine Einkaufsliste, es fehlen einige Sachen im Kühlschrank.«
»Du, ich habe heute Training und …«
»Du, das ist mir ziemlich egal.« Maline reichte ihm den Einkaufszettel und
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