Blutlinien - Koeln Krimi
kaum erwarten, ihr dümmliches Gesicht zu sehen, wenn sie die fatalen Fehler erkennt, die sie gemacht hat, brenne darauf, den Moment zu erleben, in dem sie begreift, dass ihr alle Verknüpfungen nichts nutzen.
Mein Herz rast. Ich versuche, im gleichen Rhythmus wie sie zu atmen. Ein. Aus. Was für ein Kick. Ihr Leben hängt an einem seidenen Faden. Um Haaresbreite vom Tod entfernt. Sie liegt unbeweglich. Ich wage kaum Luft zu holen. Unbeschreiblich.
Köln-Nippes, Gustav-Nachtigal-Straße
Ein Luftzug. Maline öffnete die Augen, setzte sich auf. Da, ganz leise, ein Geräusch. Vielleicht aus dem Erdgeschoss oder aus dem Keller.
Du bist allein im Haus. Lou und die Kinder sind in Cornwall.
Maline hatte sie zu der Reise ermutigt, sie regelrecht aus der Stadt gescheucht.
Lautlos glitt sie auf die Füße, zog die Schublade des Nachttischs auf und nahm die geladene P99 heraus. Sie hatte Rufbereitschaft, wollte für alle Fälle präpariert sein. Auf Zehenspitzen durchquerte sie den halbdunklen Raum und trat auf den Flur. Die Türen von Friedas und Lous Zimmern waren geschlossen.
Sie setzte ihre nackten Füße Schritt für Schritt. Einem Impuls folgend drehte sie sich zu ihrer Tür um, bevor sie die Treppe ansteuerte. Ein gelbes Post-it klebte am Rahmen.
8 - #
»Schön, dich zu sehen.«
Wie in Zeitlupe wandte Maline sich um. Michel. Gemächlich kam er den schmalen Flur entlang. In der linken Hand glänzte die Klinge eines Messers.
Malines Mund wurde trocken.
»Vielleicht ist dir das Zeichen auf dem Post-it nicht geläufig«, fuhr er mit melodischer Dozentenstimme fort und kam näher. »Es ist das Emoticon für Tod. Eine interessante Kommunikationsform, diese Kürzel. Perfekt, geradezu gemacht für mich, und ich muss sagen, ich war Wilson und seiner Zettelmanie sehr dankbar, zu gerne hätte ich ihm dies persönlich gesagt.«
Maline hob die Pistole und zielte auf Michels Brust.
»Du bist ziemlich einfältig für eine Kommissarin«, lachte er. »Schieß! Bitte!«
Entschlossen zog sie den Abzug durch. Ein leises Klick. Mehr nicht.
»Ich habe die Patronen entfernt«, sagte Michel lachend und hielt das Magazin in die Höhe.
Maline schluckte. Flieh, renn ins Bad, schließ dich ein und schrei die Nachbarschaft zusammen! Los, beweg dich!
»Denk nicht mal daran«, zischte Michel. »Den Badezimmerschlüssel habe ich in meiner Hosentasche, und wenn du einen Mucks machst, erwarte ich deine kleine Familie, wenn sie von ihrer Reise zurückkommt, und mache sie der Reihe nach kalt.«
Maline dachte fieberhaft nach. Wenn sie sich jetzt auf ihn stürzte und es schaffte, an ihm vorbeizurennen, verletzte er sie vielleicht, aber töten konnte er sie nicht so schnell. Mit Glück fiel Michel durch die Wucht des Aufpralls rückwärts die Treppe hinab. Sie musste es wagen, das Überraschungsmoment nutzen. Den Abstand zwischen ihnen schätzte sie auf maximal vier Meter.
»Jetzt, wo alles vorbei ist, möchte ich, dass du weißt, dass ich keines meiner Opfer kannte, na ja, bis auf eine Ausnahme. Meine Tante ging mir schon seit Ewigkeiten im höchsten Maße auf die Nerven.«
»Tante?«
»Nicht einmal das habt ihr herausgefunden.« Michel verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen und schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt muss ich mich wundern, wie stümperhaft ihr arbeitet.«
»Du bist eben einfach genial«, erwiderte Maline. »Eine Nummer zu groß für uns, überdurchschnittlich intelligent und vorsichtig. Ich verstehe nur nicht, warum du es dabei nicht belässt. So wie du uns einschätzt, wären wir doch nie auf dich gekommen.«
»Du bist der Grund!« Michel blieb stehen. »Ich kann nicht verschwinden, ohne dich abzustechen. So einfach ist die Sache.«
Maline versuchte, in Michels Gesicht zu lesen. Sie kannte ihn nur als unscheinbaren Bäcker, der sie nie sonderlich interessiert hatte. Gut aussehend, aber schüchtern. Jetzt stand er breitbeinig da und bedrohte sie mit einem Messer.
»Dein Gehabe erinnert mich an sie. Meine Tante und ihresgleichen … Sie konnte auch nicht ihr Maul halten, wusste nie, wann es genug ist. Ich musste sie zum Schweigen bringen und hoffe, dass die Spinnen über sie hergefallen sind.«
»Die Fotografin in Chorweiler.« Maline traute ihren Ohren nicht. In diesem Fall war erst ein Teil der Beweismittel gesichtet. Hinweise auf einen Verwandten oder gar auf Michel hatte es bisher keine gegeben. »Das war deine Verwandte …?«
»Ja, ich bin ihr Neffe«, sagte Michel triumphierend. »Dir kann ich es
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