Blutlust
aufspüren und festnehmen oder töten. Und dann hätten sie den Beweis, dass es uns gibt. Deswegen machen wir Vampire Jagd auf die Upìr – damit die Welt nicht wegen ihnen von uns erfährt.«
»Und ich bin jetzt ein solcher Upìr ?«, fragte ich.
»Noch nicht, aber bald.«
»Dann wirst du mich wohl töten müssen.«
»Du weißt, dass ich das nicht kann.« Er raufte sich die Haare. Er war völlig hin- und hergerissen und verwirrt. »Weil ich dich liebe, verdammt. Aber wenn du nur einen einzigen Schluck von meinem Blut trinkst, wirst du einer von uns. Du wirst mir gehören. Für immer.«
Er biss sich ins Handgelenk, so, wie Carla es nach ihrer Jagd auf mich getan hatte, und hielt es mir entgegen. »Nur ein einziger Schluck, Sinna! Mir zuliebe!«
Ich stand da und schaute ihn mitleidig an.
»Du wirst eine der ganz Großen dieser Welt werden!«, flehte er und ließ sich auf die Knie fallen. »Meine Dunkle Göttin!«
Es brach mir das Herz, ihn einen solchen Schwachsinn reden zu hören.
Ich beugte mich zu ihm herab, küsste ihn auf die Stirn, drehte mich erneut herum und ging.
»Sinna!«, rief er mir hinterher. »Es werden andere kommen und tun, was ich nicht tun kann. Bitte! Werde eine von uns. Ich will dich nicht verlieren!«
Leb wohl, mein Dunkler Gott , dachte ich und meinte damit mehr meine Illusion von ihm als den Mann selbst. Leb wohl, du armer Irrer!
– Kapitel 15 –
Wahre Gesichter
Der U-Bahnhof war so verlassen, wie ich mich fühlte.
Ich setzte mich auf eine Bank und legte den Kopf in meine Hände. Etwas in mir wollte weinen, aber ich ließ es nicht zu. Ich hatte die richtige Entscheidung getroffen, das wusste ich; aber das machte es nicht besser. Morgen würde ich die Stadt verlassen, um zu Hause bei Mom meine Wunden zu lecken und einen Neustart vorzubereiten.
Es gibt immer eine zweite Chance im Leben, daran glaubte ich ganz fest. Man muss sie nur wollen. Aber ob ich jemals wieder einen Mann finden würde wie Max? Ich meine, ohne den ganzen Vampirscheiß? Am besten, ich verdrängte, dass ich ihm jemals begegnet war, sonst würde ich dem, was ich in ihm gesehen hatte, für den Rest meines Lebens nachtrauern.
Plötzlich spürte ich, dass mich jemand beobachtete.
War Max mir nachgegangen? Ich hob den Kopf.
Vor mir stand Carla! Mit ihren beiden Schoßhündchen Cyrus und Caligula.
Mir blieb das Herz stehen.
»Hallo, Sinna!«, schmunzelte Carla. Sie trug ein Schulmädchen-Outfit mit kurzem Rock, weißer Bluse, weißen Söckchen und schwarzen Lackschuhen. Mit ihren zwei Zöpfen und dem Lolli im Mund sah sie aus wie eine lebendig gewordene Mangadoll. Cyrus und Caligula trugen ihre üblichen schwarzen Sachen und Mäntel.
»Hallo, Vampire«, sagte ich so cool, wie ich konnte. »Auf der Suche nach ’nem Snack?«
Mir fiel auf, dass ich die Coolness gar nicht spielen musste. Nach dem ersten Schreck stellte sie sich gerade ganz von selbst ein. Vielleicht war ich einfach zu müde, um noch Angst zu haben. Oder vielleicht hatte ich meine Angst in den vergangenen Tagen und Nächten komplett aufgebraucht. Keine Ahnung. Es interessierte mich nicht. Genau so wenig, wie es mich interessierte, was die drei von mir wollten.
»Du hast unsere Party so schnell verlassen«, sagte Carla und schürzte ein Schmollmäulchen. »Wir konnten uns gar nicht richtig voneinander verabschieden.«
»Oh«, machte ich gespielt bestürzt. »Hast du etwa den Abschiedsknutscher mit dem Hummer vergessen?«
Carla zuckte die Achseln. »Das war meine Dienerin. Ich hab sie dafür bestraft.«
»Hmhm«, sagte ich. »Und kannst dir auch überhaupt nicht vorstellen, wer sie mit dem Handy angerufen und ihr den Befehl gegeben hat, uns über den Haufen zu fahren.«
Wieso zur Hölle war ich so cool?
Carla setzte ihren unschuldigsten Blick auf.
»Ach das. Du bist aber ganz schön nachtragend. Dir ist doch gar nichts passiert. Schau dich doch an – völlig unverletzt. Wundert dich das nicht ein bisschen?«
»Ja ja, ich weiß«, winkte ich ab. »Deine Bisse haben mich in einen Vampir verwandelt, und jetzt muss ich dein Blut trinken, um kein Upìr zu werden, blabla.«
»Du hättest auch das von Max trinken können.«
»Mit dem bin ich durch«, sagte ich. »Also kannst du dich ebenfalls verziehen. Kein Grund mehr, mich ihm wegzunehmen oder dich an ihm zu rächen. Kannst ihn wiederhaben.«
»Oh, um ihn geht es gar nicht mehr«, sagte sie und setzte sich neben mich auf die Bank. »Es geht um dich, Sinna. Ausschließlich um dich … und um
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