Blutmale
umgesehen haben.«
Sie stieg die Stufen hinauf. Auf der Veranda legte sie Schuhüberzieher und Latexhandschuhe an. Aus der Nähe betrachtet sah Frost noch übler aus; sein Gesicht wirkte eingefallen und blutleer. Doch dann holte er tief Luft. »Ich kann mit Ihnen reingehen«, erbot er sich tapfer.
»Nein, lassen Sie sich ruhig noch ein bisschen Zeit. Rizzoli kann mich herumführen.«
Er nickte, doch er sah sie dabei nicht an, sondern starrte auf die Straße hinaus, mit der verbissenen Konzentration eines Mannes, der sich alle Mühe gibt, sein Abendessen bei sich zu behalten. Sie überließ ihn seinem Kampf gegen die Übelkeit und griff nach dem Türknauf, auf das Schlimmste ge fasst. Erst vor wenigen Augenblicken war sie völlig erschöpft hier angekommen, hatte sich schütteln müssen, um wach zu werden; jetzt aber spürte sie, wie ihre Nerven vor Spannung kribbelten, als stünde sie unter Strom.
Sie betrat das Haus. Drinnen blieb sie mit pochendem Herzen stehen und sah sich um. Der Anblick hatte absolut nichts Erschreckendes. Die Diele war mit Eichenparkett ausgelegt, das abgetreten aussah. Durch die Zwischentür konnte sie ins Wohnzimmer sehen, das mit billigen Möbeln eingerichtet war, die nicht zueinander passten: ein durchgesessenes Futonsofa, ein Knautschsessel, ein Bücherregal, zusammen ge schustert aus Sperrholzbrettern und Hohlblocksteinen. Bis jetzt hatte sie noch nichts gesehen, was nach dem Tatort eines Gewaltverbrechens aussah. Das Schlimmste stand ihr noch bevor - sie wusste, dass es in diesem Haus auf sie wartete, denn sie hatte es in Barry Frosts Augen gespiegelt gesehen, und im aschfahlen Gesicht der Kriminalbeamtin.
Durch das Wohnzimmer gelangte sie ins Esszimmer, wo sie einen Kiefernholztisch mit vier Stühlen erblickte. Doch es waren nicht die Möbel, die ihre Aufmerksamkeit fessel ten, sondern die vier Gedecke, die auf dem Tisch arrangiert waren wie für eine Familienmahlzeit. Ein Abendessen für vier Personen.
Über einen der Teller war eine Leinenserviette gebreitet. Der Stoff war mit Blut bespritzt.
Vorsichtig ergriff sie eine Ecke der Serviette mit Zeigefinger und Daumen und hob sie an. Als sie sah, was auf dem Teller lag, prallte sie entsetzt zurück und rang nach Luft.
»Wie ich sehe, hast du die linke Hand gefunden«, sagte eine Stimme.
Maura fuhr herum. »Du hast mir einen tierischen Schrecken eingejagt.«
»Willst du dich mal so richtig gruseln?«, fragte Detective Jane Rizzoli. »Dann komm mit.« Sie machte kehrt und führte Maura durch einen Flur. Genau wie Frost sah Jane aus, als wäre sie gerade erst aus dem Bett gekrochen. Ihre Hose war zerknittert, ihr dunkles Haar ein krauses Lockengewirr. Doch im Gegensatz zu Frost schritt sie furchtlos aus, mit ihren Papierüberziehern an den Schuhen, die raschelnd über den Boden schleiften. Von allen Detectives, die regelmäßig in Mauras Sektionssaal zu Gast waren, war Jane diejenige, die sich am ehesten ganz nach vorn an den Tisch drängte und den Hals reckte, um besser sehen zu können. Und auch jetzt zeigte sie keine Spur von Unschlüssigkeit, als sie den Flur entlangmarschierte. Es war Maura, die zurückblieb, den Blick auf die Blutstropfen auf dem Fußboden gerichtet.
»Bleib auf dieser Seite«, sagte Jane. »Wir haben hier ein paar undeutliche Fußabdrücke, die in beide Richtungen gehen. Eine Art Sportschuh. Sie sind inzwischen einigermaßen trocken, aber ich möchte nichts verwischen.«
»Wer hat den Vorfall gemeldet?«
»Es war ein Notruf. Kam kurz nach Mitternacht rein.«
»Von wo kam der Anruf?«
»Aus diesem Haus.«
Maura runzelte die Stirn. »Das Opfer? Hat sie noch versucht, Hilfe zu holen?«
»Es war keine Stimme zu hören. Jemand hat einfach nur den Notruf gewählt und dann den Hörer neben das Telefon gelegt. Die erste Streife war zehn Minuten nach dem Anruf hier. Der Cop fand die Tür unverschlossen, ging durch bis ins Schlafzimmer und wäre fast aus den Latschen gekippt.« Jane blieb vor einer Tür stehen und wandte sich zu Maura um. Ein warnender Blick. »Hier wird's so richtig heftig.«
Die abgetrennte Hand war schon schlimm genug.
Jane trat zur Seite, um Maura einen Blick ins Schlafzimmer werfen zu lassen. Sie konnte das Opfer nirgends entdecken; das Blut war alles, was sie sah. Der menschliche Körper enthält im Durchschnitt fünf Liter davon. Die gleiche Menge roter Farbe reicht aus, um ein kleines Zimmer bis in den letzten Winkel einzufärben. Genau dieses Bild bot sich Mauras fassungslosem Blick
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