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Blutmaske

Blutmaske

Titel: Blutmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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enorme Kraft und Konzentration.
    Zu ihrem Entsetzen spürte sie, wie die Finger über zerfetzte,
feuchte Kleidung glitten, eine nackte Hüfte streiften und
schließlich auf ihren nackten Oberschenkel trafen. Kein Schlüsselanhänger.
Keine Lampe.
    Die Erkenntnis, dass sie halbnackt und zur Regungslosigkeit
verdammt dalag, war neue Nahrung für ihre Angst; mehr Adrenalin
wurde ausgeschüttet – und schwemmte endlich die
Langsamkeit aus ihr heraus. Ihr Körper erwachte.
    Sie spürte einen Luftzug, ein leises Quietschen erklang.
    »Hilfe …«, murmelte sie und hob den Kopf.
    Eine Tür war spaltbreit nach innen aufgedrückt worden. Durch
den Schlitz flackerte gelbliches Licht und beleuchtete … einen
Körper, der quer über ihr lag! Der Druck auf ihrer Brust!
    »Nein, nein!«, keuchte sie, stemmte ihre Arme gegen die Last,
schob sie mit Mühe von sich und spürte die warme Luft auf
ihrer klebrigen, feuchten Haut.
    Der Körper des Mannes fiel nach links … doch sein abgetrennter
Kopf rollte über ihren schlanken Bauch hinweg und
landete zwischen ihren Beinen auf dem Boden.
    Kreischend fuhr sie hoch und wollte sich so schnell wie möglich
mit den Fersen rückwärtsschieben, weg von der Leiche.
Dabei rutschte sie mehr als einmal aus, der schlüpfrige Untergrund
bot nicht genügend Halt.
    Als sie eine Wand an ihrem Rücken spürte, starrte sie immer
noch nach vorn, unfähig, den Blick abzuwenden. Der Kopf war
mit dem Gesicht nach oben zum Liegen gekommen und zeigte
ihr ein bekanntes Profil, das im unregelmäßigen Aufblitzen erschien
und verschwand, erschien und verschwand. Die Augen
waren weit geöffnet, die Gesichtszüge zeigten das Grauen, das
den Mann im Moment des Todes befallen hatte. Das flackernde
Licht verstärkte den Schrecken.
    Aus den wirren Erinnerungen und durch das immense Entsetzen
wühlte sich ein Name bis an die Oberfläche ihres Verstands:
»Patrick«, schrie sie mit überschlagender Stimme, ein Ruck ging
durch ihren Körper – und doch konnte sie sich nicht überwinden,
nach vorn zu kriechen. Mit dem Rücken gegen die merkwürdig
warme Wand gepresst, hockte sie da und atmete viel zu
schnell.
    Es war der Gestank des Todes, der sie schließlich von ihrer
Erstarrung befreite; er klebte überall an ihr, und sie riss sich
die blutgetränkte Kleidung panisch vom Leib. »Hilfe«, brüllte sie
verzweifelt. »Hilfe! Ist denn niemand hier?« Der Hall gab ihrer
Stimme etwas Fremdes, Unheimliches. Sie hatte plötzlich das
Gefühl, nicht allein in der Dunkelheit zu sein.
    Wieder war es die Angst, die sie antrieb. Sie sprang unbeholfen
auf, rannte in einem Bogen an dem zerstückelten Leichnam
vorbei und riss die Tür auf, um in die zuckende Helligkeit zu
treten. Eine der vollgesogenen Mullkompressen, die mit Tape
an ihrem Oberkörper befestigt waren, löste sich. Sie beachtete
es nicht.
    Sie stand in einem fensterlosen Gang, der etwa zwei Meter
breit war; an den Wänden hingen abstrakte Bilder. Das Grün
darauf bildete einen Kontrast zu den zahlreichen dunklen Blutspritzern,
die sich auf dem beigefarbenen Putz abzeichneten
und daran herabliefen. Die getönten Lampen im Gang flackerten
und erzeugten dieses gewitterartige Licht.
    Sie hielt unwillkürlich den Atem an, als sie nicht weit vor
sich einen Mann und eine Frau auf dem Boden liegen sah, der
Herr im Smoking, die Dame im hellgrünen Abendkleid. Die
Körper waren wie mit einem gigantischen Skalpell in mehrere
Teile geschnitten worden.
    Ihr erster bizarrer Gedanke war, dass das Blut die beiden umgab
wie ein unvollständiger Soßenspiegel aus Erdbeersirup.
Dann strömte unsagbares Entsetzen in sie hinein. Sie rannte
wimmernd in die entgegengesetzte Richtung davon, weg vom
surrealen Tod, strauchelte, rutschte und musste sich immer wieder
abstützen. Sie nahm nicht wahr, dass sie von Kopf bis Fuß
mit Blut beschmiert war, doch ihre Handabdrücke blieben an
den Wänden und Türrahmen haften.
    Unvermittelt stand sie in der Küche, die derart sauber und
weiß vor ihr lag, dass sie ungläubig und hysterisch auflachte.
Das Zimmer war aufgeräumt, alles stand an seinem Platz und
wartete darauf, von einem Koch benutzt zu werden. Auf der
Anrichte stand ein mit Zellophan umhülltes Tablett voller Canapés.
    Die Sauberkeit der weißen Kacheln und der Anrichte täuschte
Unberührtheit vor, als hätte das Verderben vor der Schwelle
haltmachen müssen. Es war ein anderes Universum. Mit einem
Mal hatte sie das Gefühl, in Sicherheit zu sein, und das Gefühl
ließ sie ebenso

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