Blutmaske
Nehmt das Geheimnis meiner Familie
eines Tages mit ins Grab und vergebt mir heute schon,
einem bangenden Vater, dass ich nicht eher handelte, wie Ihr es
bei Eurem Sohn Antoine getan habt.«
»Ich werde nichts erzählen, mon Seigneur. Das gelobe ich.«
Jean stand auf. »Was ist mit seiner Gespielin, die meinen Antoine
zum Loup-Garou machte? In welcher menschlichen Gestalt
verbirgt sie sich?«
»Ich kann es euch nicht sagen. Ich habe die Ausgeburt der
Hölle nur einmal gesehen, in ihrer abscheulichen Gestalt. Doch
soweit ich weiß, ist sie fort, und ich lasse bereits von meinen
Männern überall nach ihr suchen. Überlasst sie mir, damit Ihr
das blutige Handwerk nicht allein ausüben müsst.« Der Marquis
strich gedankenverloren über das Silberbesteck.
»Ja, mon Seigneur.« Jean wollte gehen, da ergriff der Marquis
seinen rechten Ärmelaufschlag.
»Eines noch: Tötet meinen Sohn schnell, Chastel. Auch wenn
er Euch unvorstellbares Leid zugefügt hat, rächt Euch nicht auf
diese Weise. Bedenkt, dass er wie Euer Sohn Antoine ein Opfer
geworden ist.«
»Wenn es in meiner Macht liegt, wird ihm eine einzige Silberkugel
aus dieser Muskete die Erlösung bringen.« Jean verneigte
sich vor dem alten Marquis und verließ eilends das Schloss.
Die Sorge um die einzige Person, für die er noch inbrünstige
und aufrichtige Liebe empfand, trieb ihn vorwärts, geradewegs
zu dem Pferd, das er sich für sein letztes Geld gekauft hatte.
Als er sich in den Sattel schwang, bemerkte er den roten
Kratzer am Handgelenk, den er seit jenem Tag trug, an dem er
Antoine getötet hatte.
Er war noch immer nicht verheilt.
Und er brannte wie Feuer.
Blutportale
Als die Fechterin Saskia bei einem Turnier gegen den geheimnisvollen Levantin antritt, ahnt sie nicht, dass er ein Dämon ist und seit Jahrhunderten auf sie wartet – denn tief in ihr schlummert eine Gabe, die nur er erwecken kann. Levantin will, dass Saskia für ihn die Blutportale öffnet, damit er in seine Heimat zurückkehren kann. Doch Saskia ist nicht auf ihr dunkles -Talent vorbereitet. Und so stößt sie unbeabsichtigt Türen auf, die nie geöffnet werden sollten …
Leseprobe
PROLOG
U nd die Erde war wüst und leer. Und es war finster.
Diese Zeilen waren das Erste, was ihr einfiel, als sie zu
sich kam. Allgegenwärtige, undurchdringliche Schwärze umgab
sie; obwohl sie die Augen weit aufgerissen hatte, erlaubte
ihr die Dunkelheit keinen Blick.
In ihren Ohren rauschte es wie nach einem zu lauten Konzert.
Sie fühlte Benommenheit, ein Ziehen in den Schläfen, das Atmen
fiel ihr schwer. Ihre Gedanken ließen sich nicht richtig
anordnen, sie schwirrten durcheinander. Bilder und Erinnerungen
aus den Stunden zuvor, die sie einfach nicht in die korrekte
Reihenfolge bekam. Als würde man einen Diavortrag betrachten,
bei dem jemand die Rähmchen durcheinandergebracht
hatte; der Projektor jagte gnadenlos eines nach dem anderen
durch, zog zwei auf einmal ein und schuf noch Verwirrenderes:
eine Party, dichtgedrängte, lachende Menschen, indische Dekoration,
Kellner in einheitlicher Kleidung, ein üppiges Büfett und
bunte Cocktails, eine Tänzerin, ein gutaussehender Mann mit
kurzen blonden Haaren, der sie über die Köpfe der anderen
hinweg betrachtete …
Die hektischen, tonlosen Bilder jagten ihr Furcht ein. Sie versuchte,
sich davor zu schützen, indem sie die Augen fest zusammenkniff,
doch es nutzte nichts; aufstöhnend hob sie die
Lider wieder und starrte verzweifelt in die Dunkelheit. Erst als
das Bombardement aus aufgeschnappten Eindrücken endlich
zu verblassen begann, wichen der Schwindel und das Ziehen
aus ihrem Kopf.
Ihr wurde bewusst, dass sie am Boden lag, auf dem Rücken.
Um sie herum war es schwülwarm, beinahe tropisch. Sie verspürte
einen tonnenschweren Druck auf dem Brustkorb, atmete
hektisch ein und musste husten, gleich danach würgen; es
roch nach Eisen, nach Rasierwasser, nach Erbrochenem, nach
verdunstetem Alkohol, nach Essen und nach Exkrementen.
Eine schreckliche Mischung. Noch dazu fühlte sie sich, als habe
sie sämtliche Drogen der Welt in einer Nacht zu sich genommen.
Aber das hatte sie nicht, so viel wusste sie.
Etwas Licht würde die Angst vertreiben, zumindest mindern.
Sie musste nur in ihre Tasche greifen, um den Schlüsselanhänger
mit der kleinen Taschenlampe daran herauszuziehen! Doch
sosehr sie es auch versuchte, es war ihr nicht möglich, sich
schnell zu bewegen; sie stöhnte leidvoll auf. Die Kontrolle über
ihre Hand kostete sie
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