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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sich im Laufe des nächsten Jahrzehntes zum
Anhänger der indischen Vedanta wandeln sollte, erklärte sie
für gleich in den Augen der Gottheit und nunmehr vereint durch
gegenseitige Liebe und die rechtliche Bindung des Ehestands.
    Die Erinnerung war verfärbt wie eine alte Fotografie, und
nicht gut in Details. Aber sie war da, obwohl er damals noch nicht
einmal geboren war, und er sah es, und sah dann ihre Hochzeitsnacht,
bestaunte, was sich in flüchtigen Einblicken offenbarte und
möglicherweise seine eigene Erschaffung war, und wie wenig sich
zwischen Mann und Frau geändert hatte, bestaunte seiner Mutter
Leidenschaft und seines Vaters präzise, wissende
Geschicklichkeit, selbst im Bett ein Arzt…
    Und sein Vater zog in den Krieg, drang mit Pattons Dritter Armee
durch die Ardennen vor, erlebte die erbitterten Kämpfe und
überschritt schließlich den Rhein bei Koblenz, und sein
Sohn sah, was er nicht gesehen haben konnte. Und dann sah er, was
sein Vater nicht gesehen haben konnte:
    Ein Soldat in Reithosen, der den dunklen, feuchten Hausgang eines
Pariser Bordells betrat; weder sein Vater noch sonst jemand, den er
kannte…
    Sehr trübe, aber klar in den Umrissen, eine Frau, die ihr
Kind wiegte, beschienen von orangefarbenem Sonnenlicht, das durch ein
Fenster aus getrockneter Fischblase drang…
    Einen Mann, der im Grau des frühen Morgens mit Kormoranen in
einem Fluß fischte…
    Ein Kind, das vom Heuboden eine Gruppe von Männern
beobachtete, die unten auf dem Hof einen großen, ängstlich
glotzenden, schwarzweiß gefleckten Ochsen umstanden und sich
anschickten, ihn zu schlachten…
    Männer und Frauen, die ihre langen weißen Gewänder
ablegten und in einem lehmigen, von roten Sandsteinfelsen
gesäumten Fluß schwammen…
    Einen Mann, der auf einer Klippe stand, den Hornbogen in der Hand,
und eine Antilopenherde beim Durchqueren einer dunstigen Steppenebene
beobachtete…
    Eine Frau, die in einem dunklen unterirdischen, von Talglampen
erhellten Raum ein Kind gebar, umringt von beschmierten, sorgenvollen
Gesichtern…
    Zwei alte Männer, die über Lehmkugeln in einem in den
Sand gezogenen Kreis stritten…
    - Ich erinnere diese Dinge nicht. Sie haben nichts mit mir zu tun.
Ich erlebte sie nicht.
    Er riß sich los vom Informationsstrom. Mit beiden
Händen reichte er hinauf zu rotglühenden Kreisen über
seinen Kopf, die so warm und attraktiv waren. Woher kamen sie? Er
berührte die Kreise und spürte die Antwort in seinem
hundertzelligen Körper.
    Nicht alle Erinnerung kommt aus dem Leben eines
Individuums.
    - Woher dann?
    Erinnerung ist gespeichert in Neuronen – wechselwirkende
Erinnerung, bewahrt als Ladung und Potential, dann abgeladen in
chemische Speicherung in Zellen, darauf weiterverfrachtet’ auf
die molekulare Ebene. Gespeichert von den Intronen einzelner
Zellen.
    Die Einsicht war in ihrer Vollständigkeit und Intensität
geradezu quälend.
    Symbiotische Bakterien und Trägerviren, die von Natur aus
in allen Tieren vorkommen und für jede Art bestimmte Funktionen
entwickelt haben, werden mit molekularer Erinnerung, die von den
Intronen übertragen wird, versehen. Sie verlassen das Individuum
und gehen auf ein anderes über, »infizieren« die
somatischen Zellen mit der Erinnerung. Einige der Erinnerungen kehren
dann in den chemischen Speicher zurück, und ein paar werden
wieder zu aktiver Erinnerung.
    - Über Generationen hinweg?
    Über Jahrtausende hinweg.
    - Die Intronen sind nicht Sequenzen ohne
Merkmalausprägung…
    Nein, sie sind hochverdichtete Gedächtnisspeicher.
    Vergil Ulam hatte Biologik in Zellen nicht aus dem Nichts
geschaffen. Er war auf eine natürliche Funktion gestoßen
– die Übertragung rassischer Erinnerung. Er hatte ein
bereits existierendes System verändert.
    - Es ist mir gleich! Keine Enthüllungen mehr, keine
Einsichten mehr. Ich habe genug. Was ist aus mir geworden? Was
nützt Offenbarung, wenn sie an einen Dummkopf verschwendet
wird?
    Er war wieder im Rahmenwerk des Gedankenuniversums. Er sah sich
zwischen den Bildern um, den symbolischen Ursprüngen
verschiedener Zweige von Information, dann zu den Ringen über
seinem Kopf. Sie glommen jetzt grün.
    Du bist BEKÜMMERT. Berühre sie!
    Er reichte hinauf und berührte sie wieder.
    Mit einem Ruck streckte er sich aus in die Zwischenschicht und
begann, sich in den Bernard des Makro-Maßstabs zu integrieren;
den Tunnel der Auflösung hinauf in die warme Dunkelheit des
Laboratoriums. Es war Nacht – oder jedenfalls

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