Blutmusik
denen das erste wundervoll
war, das dritte ein Elend.«
»Ich werde dich umbringen«, zischte sie.
»Niemand…«
Er stellte ihr ein Bein und brachte sie zu Fall. Mit einem spitzen
Schrei fiel sie rücklings auf den Hintern. Die Beine gespreizt,
die Arme steif nach hinten gestreckt und auf die Hände
gestützt, blickte sie mit zuckenden Lippen zu ihm auf.
»Du…«
»Rohling«, sagte er. »Ruhige, kalte, rationale
Brutalität. Nicht sehr verschieden von dem, was du mir zugemutet
hast. Aber du brauchst keine körperliche Gewalt. Du provozierst
sie bloß.«
»Halt’s Maul!« Sie streckte die Hand aus, und er
half ihr auf die Beine.
»Tut mir leid«, sagte er. Während ihrer drei
gemeinsamen Jahre hatte er sie nicht ein einziges Mal geschlagen. Er
fühlte sich sterbenselend.
»Unsinn! Du bist alles, was ich dir nachsagte, du Bastard. Du
jämmerlicher kleiner Junge!«
»Tut mir leid«, wiederholte er. Die zahlreichen Leute in
der Eingangshalle beobachteten sie wachsam, murmelten
mißbilligend. Glücklicherweise waren keine Reporter
da.
»Geh spielen mit deinem Spielzeug!« sagte sie.
»Deinen Skalpellen, deinen Krankenschwestern, deinen Patienten.
Geh hin und ruiniere ihr Leben und bleib mir vom Leibe!«
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Eine ältere Erinnerung.
»Vater.« Er stand am Bett, unbehaglich in der Umkehrung
der Rollen, nicht mehr der Arzt, sondern ein Besucher. Es roch nach
Desinfektionsmittel und etwas, den Geruch von Desinfektionsmittel zu
überdecken, Teerosen oder etwas ähnlich
Süßlichem; das Ergebnis war ein Geruch wie in einer
Leichenhalle. Er nahm die Hand seines Vaters in die seine.
Der alte Mann (er war alt, sah alt aus, abgenutzt vom Leben)
öffnete die Augen und blinzelte. Seine Augäpfel waren gelb,
wäßrig, seine Haut hatte die Farbe von französischem
Senf. Er hatte Leberkrebs, und alles versagte Stück für
Stück. Er hatte gebeten, daß auf lebensverlängernde
Maßnahmen verzichtet werden sollte, und Bernard war mit seinem
Anwalt zum Chefarzt des Krankenhauses gegangen, um sicherzustellen,
daß die Wünsche seines Vaters nicht ignoriert wurden.
(Wollen Sie Ihren Vater tot sehen? Wollen Sie sichergehen, daß
er schneller stirbt? Natürlich nicht. Wollen Sie, daß er
ewig lebt? Ja. O ja. Dann werde auch ich nicht sterben.)
Alle paar Stunden bekam er ein starkes Schmerzmittel, eine moderne
Abwandlung des Brompton-Cocktails, der in allgemeiner Gunst gestanden
hatte, als Bernard angehender Arzt gewesen war.
»Vater. Ich bin’s, Michael.«
»Ja. Mein Verstand ist klar. Ich kenne dich.«
»Ursula und Gerald lassen grüßen.«
»Ich danke für die Grüße und erwidere
sie.«
»Wie fühlst du dich?«
(Wie jemand, der im Sterben liegt, du Idiot.)
»Ich häng jetzt an der Spritze, Mike. Bin ein Fixer
geworden.«
»Ja, richtig.«
»Ich muß jetzt mit dir sprechen.«
»Worüber, Vater?«
»Über deine Mutter. Warum ist sie nicht hier?«
»Mutter ist tot, Vater.«
»Ja. Ich weiß das. Mein Verstand ist klar. Es ist
nur… und ich beklage mich nicht, wohlgemerkt… es ist nur,
daß es schmerzt.« Er ergriff Bernards Hand und
drückte sie so fest er konnte – ein jämmerlicher
Druck. »Wie lautet die Prognose, Junge?«
»Du weißt es, Vater.«
»Kannst du nicht mein Gehirn für mich
übertragen?«
Bernard lächelte. »Noch nicht. Wir arbeiten
daran.«
»Nicht früh genug, fürchte ich.«
»Wahrscheinlich nicht, nein.«
»Du und Ursula – geht es gut?«
»Wir regeln die Dinge außergerichtlich,
Vater.«
»Wie nimmt Gerald es?«
»Schlecht. Er schmollt.«
»Wollte mich mal von deiner Mutter scheiden lassen.«
Bernard blickte stirnrunzelnd in seines Vaters Gesicht.
»Ja?«
»Sie hatte einen Liebhaber. Brachte mich in Rage. Lehrte mich
aber auch einiges. Ließ die Scheidung sein.«
Bernard hatte nie etwas davon gehört.
»Du weißt, sogar mit Ursula…«
»Das ist vorbei, Vater. Wir beide hatten Affären, und
meine entwickelt sich zu einer ziemlich ernsthaften Sache.«
»Kannst eine Frau nicht besitzen, Mike. Die nichts taugen,
sind wie gefährliche Kinder, hat einer mal gesagt, aber die
anderen… wunderbare Kameraden. Kannst sie nicht
besitzen.«
»Ich weiß.«
»Wirklich? Vielleicht, ja. Ich dachte, als ich von dem
Liebhaber deiner Mutter erfuhr – ich dachte, ich würde
sterben. Es schmerzte beinahe so wie dies hier. Ich dachte, sie
gehört mir.«
Bernard wünschte, das Gespräch würde eine andere
Richtung nehmen. »Gerald hat nichts dagegen, für
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