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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Abend nackt.« Er wandte sich von
Edward ab, als er das sagte. Edward hatte den bestimmten Eindruck,
daß er log.
    »Stehst du unter Drogen?«
    Er schüttelte den Kopf, dann nickte er einmal, sehr langsam.
»Ich lausche«, sagte er.
    »Wem?«
    »Ich weiß nicht. Geräuschen. Nein, nicht
Geräuschen. Wie Musik. Das Herz, alle Adern, die Reibung des
durch die Arterien fließenden Blutes. Aktivität. Musik im
Blut.« Er betrachtete Edward mit kläglichem Ausdruck.
»Welchen Vorwand hast du Gail eigentlich genannt?«
    »Keinen. Ich sagte bloß, daß du in
Schwierigkeiten seist und ich zu dir müsse.«
    »Kannst du bleiben?«
    »Nein.« Edward sah sich argwöhnisch um, hielt
Ausschau nach Aschenbechern, nach Packen Papier.
    »Ich habe keine Drogen genommen, Edward«, sagte Vergil.
»Ich mag mich täuschen, aber ich glaube, etwas Großes
geschieht. Ich glaube, sie entdecken, wer ich bin.«
    Edward setzte sich Vergil gegenüber und faßte ihn
aufmerksam ins Auge. Vergil schien es nicht zu bemerken. Irgendein
innerer Vorgang nahm ihn gefangen.
    »Hast du Kaffee?« fragte Edward. Vergil wies zur
Küche. Edward ging hinaus, füllte einen Topf mit Wasser,
stellte ihn auf den Herd und fand ein Glas Pulverkaffee im vierten
Schrankfach, das er durchsuchte. Die Tasse in der Hand, kehrte er zu
seinem Platz zurück. Vergil reckte und drehte den Kopf vor und
zurück. Seine Augen waren weit geöffnet.
    »Du wußtest immer, was du sein wolltest?« fragte
er Edward.
    »Mehr oder weniger.«
    »Kluge Schritte. Ein Gynäkologe. Niemals falsche
Entscheidungen. Ich war anders. Ich hatte Ziele, aber keine Richtung.
Wie eine Landkarte ohne Straßen, nur Orte, dort zu sein. Ich
gab keinen Furz für irgendwas oder irgendwen. Nicht einmal
für die Wissenschaft. Bloß als Mittel zum Zweck. Ich bin
überrascht, daß ich soweit gekommen bin.« Er
umfaßte die Armlehnen. »Was Mutter betrifft…«
Die Spannung in seinen Händen war eindeutig. »Hexe! Eine
Hexe und ein Gespenst als Eltern! Das Kind als Wechselbalg. Wo kleine
Dinge große Veränderungen bewirken.«
    »Stimmt was nicht?«
    »Sie sprechen zu mir, Edward.« Er schloß die
Augen.
    »Großer Gott!« Er wußte nicht, was er sonst
denken oder sagen sollte. Er dachte verzweifelt an einen Jux, und
daß er zum Narren gehalten wurde, und daß Vergil in der
Vergangenheit unzuverlässig und zu Streichen aufgelegt war, aber
er konnte sich den harten Tatsachen, die das Diagnosegerät ihm
gezeigt hatte, nicht verschließen.
    Eine Viertelstunde lang schien Vergil zu schlafen. Edward
fühlte ihm den Puls, der kräftig und gleichmäßig
war, legte ihm die Hand an die Stirn, die sich etwas kühl
anfühlte, und bereitete sich mehr Kaffee. Er war im Begriff, den
Telefonhörer abzunehmen, unschlüssig, ob er ein Krankenhaus
oder Gail anrufen solle, als Vergils Augenlider sich blinzelnd
öffneten und er Edward ins Auge blickte.
    »Schwierig zu begreifen, was der Zeitbegriff für sie
ist«, sagte er. »Sie haben vielleicht drei, vier Tage
benötigt, um der Sprache und anderen menschlichen
Schlüsselbegriffen auf den Grund zu gehen. Kannst du dir das
vorstellen, Edward? Sie wußten nichts davon, sie dachten, ich
sei das Universum. Aber jetzt sind sie darauf gekommen. Auf mich.
Gerade jetzt.« Er stand auf und ging über den beigefarbenen
Teppich zum Fenster, wo er ungeschickt hinter den zugezogenen
Vorhängen nach der Kordel tastete, sie schließlich fand
undzog. Ein paar Lichter anderer Häuser und Wohnungen blinzelten
aus dem Abgrund der Nacht herein. »Sie müssen Tausende von
Forschern haben, die sich an meine Neuronen angeschlossen haben. Sie
sind verdammt tüchtig, kann ich dir sagen, sonst hätten sie
mir den Verstand verwirrt. So feinfühlig machen sie ihre
Veränderungen.«
    »Das Krankenhaus«, sagte Edward heiser. Er
räusperte sich. »Bitte, Vergil. Jetzt.«
    »Was, zum Teufel, kann ein Krankenhaus tun? Hast du dir eine
Methode ausgedacht, die Zellen unter Kontrolle zu bringen?
Schließlich sind es meine eigenen. Schadest du ihnen, so
schadest du mir.«
    »Ich habe nachgedacht.« Tatsächlich war ihm die
Idee gerade erst in den Sinn gekommen – ein sicheres Zeichen,
daß er anfing, Vergil zu glauben. »Aktinomycin kann sich
an DNS binden und die Transkription unterbrechen. Auf diese Weise
könnten wir sie verlangsamen – und sicherlich würde es
diese Biologik durcheinanderbringen, die du beschrieben
hast.«
    »Ich bin allergisch gegen Aktinomycin. Es würde mich
umbringen.«
    Edward blickte auf

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