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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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zu
überprüfen. Sicherheit. Bernard hatte in Verbindung mit
Candice die Frage der Sicherheit aufgeworfen. Vielleicht sorgten sie
sich um Sicherheitsfragen, teilten die Furcht vor Industriespionage,
die jedes private Forschungsunternehmen an der Torrey Pines Road
längst zu Bollwerken aus Beton und elektrisch geladenem
Stacheldraht gemacht hatte, dem kritischen Blick der
Öffentlichkeit entzogen. Aber das konnte nicht alles sein.
    Sie konnten nicht so einfältig und kurzsichtig sein wie
Vergil; sie mußten wissen, daß viel zu wichtig war, was
mit Vergil geschah, um es unter dem Topfdeckel ihres Unternehmens zu
halten.
    Darum hatten sie sich an die Regierung gewandt. War das eine zu
rechtfertigende Annahme? (Vielleicht war es etwas, das er tun sollte,
ob Genetron es getan hatte, oder nicht.) Und die Regierung handelte
so rasch wie möglich – das heißt, in einem Zeitraum
von Tagen oder Wochen –, um ihre Entscheidungen zu treffen,
Pläne vorzubereiten und zu handeln. In der Zwischenzeit war
Vergil unbeaufsichtigt. Genetron wagte gegen seinen Willen nichts zu
unternehmen; Firmen, die sich mit Genforschung befaßten, wurden
von der Öffentlichkeit bereits argwöhnisch genug
beobachtet, und ein Skandal konnte weit mehr Schaden anrichten als
die Pläne, Aktien auszugeben, zunichte zu machen.
    Vergil war auf sich selbst zurückgeworfen, zumindest
einstweilen. Und Vergil war kein verantwortungsbewußter Mensch.
Er lebte derzeit jedoch unter selbstauferlegter Isolation, blieb in
der Wohnung (oder etwa nicht?), erlitt seine geistige Transformation,
war gefangen in seiner psychosenerzeugenden Ekstase, erfüllt von
den Hirngespinsten seiner Entdeckung.
    Mit einem Schreck wurde Edward klar, daß er der einzige war,
der etwas tun konnte.
    Er war unter allen Eingeweihten der am wenigsten
Verantwortliche.
    Es war an der Zeit, zu Vergils Wohnung zurückzukehren und
zumindest die Ereignisse zu beobachten, bis die großen Tiere
auf dem Schauplatz des Geschehens erschienen.
    Unterwegs dachte Edward über Veränderung nach. Es gab
nur ein gewisses Maß von Veränderung, das ein einzelnes
Individuum ertragen konnte. Neuerung, sogar radikale
Neuschöpfung, war eine Notwendigkeit, aber die Ergebnisse
mußten umsichtig angewendet werden, und nur nach
sorgfältiger Überlegung aller relevanten Gesichtspunkte.
Nichts durfte erzwungen oder auferlegt werden. Das war das Ideal.
Alle sollten das Recht haben, den bestehenden Zustand beizubehalten,
bis sie anders entschieden.
    Das war verdammt naiv.
    Was Vergil getan hatte, war in der Wissenschaft das
größte Ding seit…
    Seit wann? Es gab keine Vergleiche. Vergil Ulam war ein Gott
geworden. In seinem Körper trug er Hunderte von Milliarden von
intelligenten Wesen.
    Die Vorstellung war ihm unerträglich. »Reaktionärer
Maschinenstürmer«, murmelte er anklagend zu sich
selbst.
    Vergils Stimme meldete sich schon nach dem ersten Läuten.
»Ja?« sagte er in einem sehr frischen, munteren Ton.
    »Edward.«
    »He, Edward! Komm nur herein! Ich nehme gerade ein Bad. Die
Tür ist aufgesperrt.«
    Edward betrat Vergils Wohnung und ging durch den Korridor zum
Badezimmer. Vergil war in der Wanne, lag bis zum Hals in rosa
gefärbtem Wasser. Er lächelte unbestimmt zu Edward und
platschte mit den Händen. »Sieht aus, als hätte ich
mir die Pulsadern aufgeschnitten, wie?« sagte er. Seine Stimme
war ein glückliches Flüstern. »Sei unbesorgt. Alles
ist jetzt gut. Genetron kommt herüber, um mich wieder
einzustellen. Bernard und Harrison und die Laborleute, alle in einem
Kleinbus.« Blasse Schwielen durchzogen kreuz und quer sein
Gesicht, und seine Hände waren bedeckt mit weißen
Beulen.
    »Ich sprach erst heute vormittag mit Bernard«, sagte
Edward. Er war perplex.
    »He, sie riefen gerade an«, sagte Vergil und zeigte zu
seinem Badezimmer-Telefonanschluß. »Ich bin seit einer
Stunde hier drin, seit anderthalb Stunden. Einweichen erleichtert das
Nachdenken.«
    Edward setzte sich auf die Toilette. Die Quarzlampe stand auf dem
Wäscheschrank.
    »Bist du sicher, daß du zu Genetron zurück
willst?« fragte Edward. Er ließ die Schultern
hängen.
    »Ja. Ich bin sicher«, sagte Vergil.
»Wiedervereinigung. Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, der
nicht so verloren war. Aber der Vergleich hinkt. Schließlich
kehre ich nicht reumütig zurück, sondern ich werde es
stilvoll tun. Von nun an soll alles stilvoll sein.«
    Das rosafarbene Wasser sah nicht wie Seife aus. »Ist das ein
Schaumbad, ein Badezusatz?«

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