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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Fehlens einer
gemeinsamen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Die
Ausbreitung, der Seuche auch auf diese Gebiete schien durch
Säugetiere, Vögel und Insekten ebenso zu erfolgen wie durch
unmittelbare menschliche Kontakte.
    Infrarotaufnahmen, die von Landsat- und Spionagesatelliten
aufgenommen, verarbeitet und in anderen Ländern ausgewertet
wurden, zeigten bedeutsame Veränderungen selbst in den
Wäldern und Wasserwegen Nordamerikas.
    Schon hatte er das Gefühl, daß Michael Bernard nicht
mehr existiere. Er war von etwas Größerem und weitaus
Eindrucksvollerem verschluckt worden, und nun war er in einem Museum
ausgestellt, etikettiert und, seltsam genug, in der Lage, Antworten
zu geben. Exneurochirurg; männlich, einst wohlbekannt und
wohlhabend, in letzter Zeit nicht sehr aktiv…
    Es schien durchaus möglich, daß Michael Bernard seit
sechs Jahren nicht mehr existiert hatte, irgendwann verschwunden war,
nachdem er das letzte Mal ein Skalpell angesetzt, einen Schädel
angebohrt hatte.
    Er öffnete die Augen und sah die Männer und eine Frau im
benachbarten Raum.
    »Dr. Bernard…« Die Frau versuchte seine
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, offenbar zum dritten oder vierten
Mal.
    »Ja?«
    »Trifft es zu, daß Sie zumindest teilweise mitschuldig
an dieser Katastrophe sind?«
    »Nein, nicht unmittelbar.«
    »Und mittelbar?«
    »Ich konnte die Konsequenzen, die sich aus den Handlungen
anderer Menschen ergaben, unmöglich voraussehen. Ich bin kein
Hellseher.«
    Die Frau errötete. »Ich habe – oder hatte –
eine Tochter und eine Schwester in den Vereinigten Staaten. Ich komme
aus Frankreich, ja, aber ich bin in Kalifornien geboren. Was ist mit
ihnen geschehen? Wissen Sie es denn?«
    »Nein, Madame, ich weiß es nicht.«
    Die Frau verlor die Fassung, wehrte Paulsen-Fuchs’
Beschwichtigungsversuch ab und rief mit schriller Stimme: »Wird
es niemals enden? Katastrophen und Tod, Wissenschaftler dafür
verantwortlich, ja, Sie alle sind verantwortlich! Wird
es -…« Und sie wurde hinausgeführt. Paulsen-Fuchs
hob resignierend die Hände und schüttelte den Kopf. Das
Zimmer leerte sich rasch, und Bernard blieb hinter der
Panzerglasscheibe allein zurück.
    Und da er niemand war, bedeutete es, daß, wenn er allein
war, es in der Kammer überhaupt nichts gab.
    Nichts als die Mikroben, die Noozyten mit ihrem unglaublichen
Potential, die sich Zeit ließen…
    Die warteten, um mehr aus ihm zu machen, als er je gewesen
war.

 
22
     
    Am vierten Tag gingen die Lichter aus – am Morgen, kurz
nachdem sie erwachte. Sie zog ihre Modelljeans an, ihren besten
Büstenhalter und einen Pullover, nahm die Windjacke aus dem
Schrank hinter der Treppe, und trat hinaus ins Tageslicht. Nicht mehr
gesegnet, dachte sie. Nicht mehr begehrenswert für den Teufel
oder sonstwen. »Mit meinem Glück geht’s zu Ende«,
sagte sie laut.
    Aber sie hatte Nahrung, und das Wasser lief noch immer. Sie
überdachte ihre Lage und kam zu dem Schluß, daß sie
nicht allzu schlecht dran sei. »Entschuldige, lieber Gott«,
sagte sie und blinzelte zum Himmel auf.
    Die Häuser auf der anderen Straßenseite waren
vollständig verhängt mit braun und weiß gefleckten
Laken, die wie Haut oder Leder in der Sonne glänzten. Die
Bäume und Eisengeländer waren mit Fetzen vom gleichen Zeug
behangen. Auch auf ihrer Seite waren die Laken drauf und dran, die
Häuser zu überwachsen.
    Es war Zeit, fortzugehen. Sie würde nicht mehr lange
verschont bleiben.
    Sie packte Lebensmittel in Kartons und stapelte diese im
Einkaufswagen. Auch das Gas war noch an; mit den letzten Eiern und
Speckstreifen briet sie sich ein feines Frühstück, toastete
Brot über der Gasflamme, wie ihre Mutter es ihr beigebracht
hatte, bestrich es mit dem Rest Butter und legte dick Marmelade auf.
Davon aß sie vier Schnitten, dann ging sie die Treppe hinauf
und packte eine kleine Reisetasche. Unbeschwert reisen, dachte sie.
Dicke Winterjacke und warme Sachen, Revolver, Stiefel. Wollsocken aus
den Schubladen ihrer Brüder. Handschuhe. Grenzlandzeit.
Pionierzeit.
    »Vielleicht bin ich die letzte Frau auf Erden«,
überlegte sie. »Ich muß praktisch denken.«
    Der letzte Gegenstand, der in den am Fuß der Stufen auf dem
Gehsteig wartenden Einkaufswagen kam, war das Transistorradio. Sie
spielte es jeden Abend nur ein paar Minuten lang, und sie hatte bei
Mithridates eine Schachtel Batterien mitgehen lassen. Das sollte
für einige Zeit reichen.
    Aus dem Radio hatte sie erfahren, daß die Leute sehr

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