Blutmusik
Luftwaffenoffiziere der
hiesigen Stützpunkte haben sich allerdings dagegen
ausgesprochen. Sie sind der Meinung, die US-Regierung sollte
einstweilen von Militärs gebildet werden. Diplomatische
Vertretungen sollen in den Dienst der neuen Regierung gestellt
werden. Das Problem ist, daß kein Geld da ist. Die Russen
verlangen, daß amerikanische Schiffe und U-Boote spezielle
Quarantänehäfen auf Kuba und entlang der russischen
Pazifikküste anlaufen sollen, um entseucht zu werden.«
»Tun sie es?«
»Keine Antwort. Ich glaube es jedoch nicht.«
»Gibt es Neuigkeiten über die Vogelmorde?«
»Ja. In England töten sie alle Zugvögel, ganz
gleich, woher sie kommen. Einige Gruppen wollen sogar alle Vögel
unterschiedslos töten. Es gibt viel Barbarei, und nicht nur
gegen Tiere, Michael. Amerikaner sind in aller Welt schimpflicher
Behandlung ausgesetzt, selbst wenn sie seit Jahrzehnten in Europa
leben. Religiöse Wirrköpfe verbreiten, Christus sei in
Amerika wiedergekehrt und schicke sich an, nach Europa zu ziehen und
das Zeitalter des Glücks und Friedens einzuleiten. Aber Sie
werden Ihre Nachrichten wie gewöhnlich über den
Datenanschluß bekommen. Dort können Sie alles
nachlesen.«
»Es ist bestimmt besser, wenn es von einem Freund
kommt.«
»Ja«, sagte Paulsen-Fuchs, »aber selbst die Worte
eines Freundes können die Nachrichten, wie sie heute sind, nicht
verbessern.«
»Würde ein Atomschlag das Problem lösen? Ich bin
kein Epidemiologe – ließe sich ein ganzer Kontinent wie
Nordamerika tatsächlich sterilisieren?«
»Ich halte es für unwahrscheinlich, und die Russen
werden sich dessen bewußt sein. Wir haben einiges über die
Zielgenauigkeit ihrer Gefechtsköpfe gehört, über
Blindgängerhäufigkeit und dergleichen. Sie könnten
bestenfalls die Hälfte des Kontinents hinreichend ausbrennen,
daß alle Lebensformen vernichtet werden. Das wäre so gut
wie nutzlos. Und die Strahlungsgefahr – ganz zu schweigen von
den meteorologischen Veränderungen und den Unberechenbarkeiten
der Verbreitung intakter mikrobiologischer Organismen durch die
Staubwolken wären enorm. Aber wir haben es mit Russen zu
tun«, sagte er achselzuckend. »Sie können es nicht
wissen, aber ich erinnere mich an die Kämpfe um Berlin und die
Besetzung. Ich war damals noch ein Junge, aber ich erinnere mich an
sie – stark, sentimental, grausam, schlau und dumm
zugleich.«
Bernard hielt es nicht für opportun, das Verhalten der
Deutschen in Rußland zu kommentieren. »Was also hält
sie zurück?«
»Die NATO. Frankreich, überraschenderweise. Die
energischen Einsprüche der meisten blockfreien Länder,
insbesondere in Mittel- und Südamerika. Aber genug davon. Ich
brauche einen Bericht.«
»Jawohl«, sagte Bernard und salutierte. »Ich
fühle mich gut, wenn auch ein wenig benommen. Ich denke daran,
verrückt zu werden und Lärm zu schlagen. Ich komme mir vor
wie in einem Gefängnis.«
»Verständlich.«
»Noch keine weiblichen Freiwilligen?«
»Nein«, antwortete Paulsen-Fuchs, und fügte
vollkommen ernst hinzu: »Ich verstehe es nicht. Es heißt
immer, Ruhm sei das beste Aphrodisiakum.«
»Nun, auch gut. Wenn es ein Trost sein kann: seit vorgestern
habe ich keine Veränderungen in meiner Anatomie bemerkt.«
Das war der Zeitpunkt, als die Schwielen auf seiner Haut sich
zurückbildeten.
»Sie haben sich entschlossen, die Bestrahlung
fortzusetzen?«
Bernard nickte. »Es gibt mir etwas zu tun.«
»Wir denken noch immer an Antimetaboliten und
DNS-Polymerase-Inhibitoren. Die infizierten Tiere zeigen keine
Symptome – anscheinend sind Ihre Noozy ten über Tiere nicht
sehr erfreut. Jedenfalls nicht hier. Es gibt verschiedene Theorien.
Haben Sie Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, etwas von der Art, selbst,
wenn sie Ihnen normal erscheinen mögen?«
»Ich habe mich nie im Leben besser gefühlt. Ich schlafe
wie ein kleines Kind, das Essen schmeckt mir, keine Schmerzen oder
Beschwerden. Ein gelegentliches Hautjucken. Ja, und manchmal juckt es
innen, in meinem Bauch, aber es ist schwierig zu lokalisieren. Nicht
sehr störend.«
»Ein Bild der Gesundheit«, sagte Paulsen-Fuchs, der
mitgeschrieben hatte. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir Ihre
Aufrichtigkeit überprüfen?«
»Ich habe keine Wahl, nicht wahr?«
Sie untersuchten ihn zweimal täglich, so
regelmäßig wie seine unberechenbaren Schlafperioden es
gestatteten. Er unterzog sich allen Behandlungen und Untersuchungen
mit grimmiger Geduld; das ungewohnte und störende Novum
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