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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ausgelaugt von Furcht, Schrecken und
Wachsamkeit. Sie trank wieder vom Wasserhahn im Badezimmer… und
dachte plötzlich an die Wurzeln, die in die Wasserleitung
führten. Würgend und spuckend setzte sie sich auf die
Toilette und sah das Wasser rein und klar aus dem Hahn strömen.
Endlich zwang der Durst sie, die Gelegenheit wahrzunehmen und mehr zu
trinken, aber sie gelobte, einen Vorrat von Mineralwasser in Flaschen
anzulegen.
    Im Wohnzimmer bereitete sie eine kalte Mahlzeit aus grünen
Bohnen und Corned Beef und war hungrig genug, hinterher noch eine
Dose Pflaumenkompott zu essen. Die Dosen standen in einer Reihe auf
dem abgenutzten Kaffeetisch. Sie trank den Rest vom süßen
Pflaumensirup und fand, daß nichts ihr jemals so gut geschmeckt
habe.
    Darauf kehrte sie in ihr Schlafzimmer zurück und legte sich
nieder, und diesmal schlief sie fünf Stunden, bis sie von einem
Geräusch geweckt wurde. Irgendwo im Haus war etwas Schweres
gefallen. Vorsichtig schlich sie die Treppe hinunter und spähte
in Hausgang und Wohnzimmer umher.
    »Nicht die Küche«, murmelte sie und wußte
doch instinktiv, daß das Geräusch von dort gekommen war.
Zögernd öffnete sie die Pendeltür. Ihrer Mutter
Kleider – aber nicht ihre Mutter – lagen in einem
Häuflein vor der Spüle. Suzy trat ein und schaute zu der
Stelle, wo Kenneth gelegen hatte. Kleider, aber sonst nichts. Sie
wandte sich schnell um.
    Howards Jeans hingen vom Sitz des Hockers, der umgefallen war. Ein
glänzendes blaßbraunes Laken hing von der Wand, bedeckte
sie beinahe zur Gänze, war sauber in die Winkel eingefügt
und zeigte eine kleine Ausbauchung, wo es einen gerahmten Druck
bedeckte.
    Sie nahm den Mop aus dem anderen Winkel hinter dem
Kühlschrank und trat vor, den Stiel auf das Laken gerichtet. Ich
bin unglaublich mutig, dachte sie bei sich. Zuerst stieß sie
das Laken behutsam an, dann stieß sie den Besenstiel durch
gegen die Wand. Das Laken zitterte, zeigte aber keine weitere
Reaktion. »Ihr!« schrie sie und schwang den Besenstiel hin
und her, zerfetzte das Laken in immer neuem Zustoßen von einer
Ecke zu anderen. »Ihr!«
    Als der größte Teil der Fetzen zu Boden gefallen und
die Wand mit den Einkerbungen ihrer Stöße bedeckt war,
ließ sie den Mop fallen und floh rasch aus der Küche.
    Es war ein Uhr mittags, sagte die Schiffsuhr. Suzy kam wieder zu
Atem, dann ging sie durch das Haus und schaltete die Lampen aus. Die
wundersame Energie mochte länger währen, wenn sie sie nicht
gleich aufbrauchte.
    Sie zog ein Adressenverzeichnis unter dem Telefon im Hausgang
hervor und legte eine Liste ihrer Vorräte und der Dinge an, die
sie benötigen würde. Sie hatte noch mindestens fünf
Stunden Tageslicht vor sich, oder jedenfalls Licht genug, um etwas zu
sehen. Sie zog den Mantel über und ließ die
äußere Tür zum Windfang hinter sich offen.
    Unten auf der Straße, die gesäumt war von denselben
abgestellten Wagen, zur Ecke, zum Lebensmittelgeschäft, ohne
Geldbörse oder Geld, den Mantel über dem Pyjama und dem
himmelblauen Bademantel; hinaus in die kopfstehende Welt, um zu
sehen, was es zu sehen gab. Sie verspürte sogar eine unbestimmte
Heiterkeit. Der Wind blies herbstlich kühl, und ein paar
Blätter von den in Abständen die Straße begleitenden
Bäumen raschelten über das Pflaster. Ranken von wildem Wein
und Geißblatt schlangen sich durch die alten schmiedeeisernen
Gartenzäune zwischen den Eingangsstufen, und auf den Simsen vor
den Fenstern des ersten Stocks standen Blumentöpfe.
    Mithridates’ Lebensmittelgeschäft war geschlossen, das
Eisengitter vor dem Eingang zugesperrt. Sie spähte hindurch und
überlegte, ob es einen anderen Weg hinein gäbe, und dachte
an den Lieferanteneingang auf der anderen Seite. Dort stand die
Tür angelehnt, ein schweres Ding aus schwarz lackiertem Metall,
das sie nur unter Aufbietung aller Kräfte weiter aufstoßen
konnte. Sie fühlte, wie die Tür gegen ein Hindernis
stieß und ließ sie los und beobachtete sie einen
Augenblick lang, um sich zu vergewissern, daß sie offen bleiben
würde. Im Korridor stieg sie über einen weiteren Haufen
Kleider, zu denen auch die Schürze des Krämers
gehörte, und betrat das verlassene Geschäft durch die
doppelte Pendeltür auf der rückwärtigen Seite.
    Sie ging nach vorn und zog einen der Einkaufswagen heraus. An
seinem Boden haftete noch ein sehr altes Salatblatt mit einem
Kassenzettel. Sie rollte den holpernden Wagen durch die Gassen und
nahm aus den Regalen, was sie für

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