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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Blockierung zu lösen, dann rollte sie sich mit dem
Stuhl durch einen Gang zwischen den Tischen, wobei sie sich an den
Tischkanten weiterzog.
    Eine weitere lange Glaswand trennte den Zeichensaal von
Büroabteilen. Sie hielt an und starrte. Alle Furcht war von ihr
gewichen. Sie hatte sich erschöpft. Am nächsten Morgen,
dachte sie bei sich, würde vielleicht mehr Furcht
erhältlich sein, aber einstweilen vermißte sie sie nicht.
Sie beobachtete bloß.
    Die Büroteile waren voller Bewegung. Was dort herumwimmelte,
war so seltsam, daß sie kaum wußte, wie sie sich selbst
eine Beschreibung davon geben konnte. Scheiben mit
Schneckenfüßen krochen über das Glas, und ihre
Ränder leuchteten. Etwas Formlos-Flüssiges wie ein Tropfen
Wachs oder Gummiarabikum hüpfte in einem anderen Abteil herum
und schien sich gegen schwarze Kabel oder Seile zu werfen, die
funkelnd den Raum durchzogen; der Tropfen strahlte fluoreszierendes
grünes Licht aus, wann immer er mit Glas oder Mobiliar in
Berührung kam. Im letzten Abteil erhob sich ein Wald von
schuppigen Stecken, die an Hühnerbeine erinnerten und in einer
unmöglichen Brise schwankten und wogten.
    »Es ist irrsinnig«, sagte sie sich. »Es hat nichts
zu bedeuten. Nichts geschieht, weil es keinen Sinn ergibt.«
    Sie rollte ihren Stuhl fort von den Büroabteilen und an die
Fenster. Der Boden schien aufgeräumt, nirgendwo war
herumliegende Kleidung zu sehen. Von der anderen Seite des Raumes
gesehen, ähnelten die Büroabteile Aquarien, in denen sich
exotische Meereslebewesen tummelten.
    Vielleicht war sie sicher. Was in einem Aquarium war, kam
gewöhnlich nicht heraus. Sie versuchte, sich davon zu
überzeugen, daß sie in Sicherheit sei, aber im Grunde war
es gleich. Einstweilen konnte sie nirgendwohin.
    Ihr Knie schwoll an, daß die Jeans sich spannte. Sie dachte
daran; den Stoff aufzuschneiden, fand es dann aber besser, die Hose
einfach auszuziehen. Grunzend vor Anstrengung, ließ sie sich
vom Stuhl auf den Boden herab und lehnte sich gegen einen
Ablageschrank. Indem sie die Hüften hob und auf einem Bein
balancierte, brachte sie die knapp sitzenden Jeans herunter und
vorsichtig über die Anschwellung hinweg.
    Es sah noch nicht sehr schlimm aus, nur dick und mit einem
purpurnen Bluterguß unter der Kniescheibe. Sie befühlte
das Knie und verspürte Übelkeit, nicht vor Schmerzen,
sondern einfach vor Erschöpfung. Es war jetzt nichts mehr von
Suzy McKenzie übrig. Die alte Welt war vor ihr dahingegangen,
bis nichts davon geblieben war außer Gebäuden, die ohne
Bewohner wie Skelette ohne Fleisch waren. Neues Fleisch zog ein, die
Skelette zu bedecken. Bald würde auch die alte Suzy McKenzie
fort sein und nichts hinterlassen als einen lächerlichen
Schatten.
    Sie blickte nach Norden, um die Ecke des Ablageschrankes und
über eine niedrige Kredenz.
    Dort war das neue Manhattan, eine Zeltstadt mit vereinzelt
stehengebliebenen Wolkenkratzern als Masten; eine Stadt aus
Spielzeugblöcken, die unter rostfarbenen Planen versteckt und
umgeordnet waren. Der Sonnenuntergang tauchte alles in warme braune
und gelbe Töne. Das Neuere York, angefüllt mit leeren
Kleidern.
    Suzy ließ sich auf den Teppich zurücksinken, legte den
Kopf auf die Arme und schob die gespenstisch leeren Jeans unter das
Knie, um es etwas anzuheben. »Wenn ich aufwache«, sagte sie
sich, »werde ich eine Wunderfrau sein, glänzend und hell.
Und ich werde wissen, was geschieht.«
    Tief in ihrem Innern verstand sie jedoch, daß sie aufwachen
und unverändert die alte Suzy sein würde, und die Welt
würde sich nicht ihr zuliebe zurückverwandelt haben.
    »Kein gutes Geschäft«, murmelte sie.
    In der Dunkelheit wuchsen Fasern lautlos über den Teppich,
reichten in die verglasten Büroräume und unterdrückten
die überschäumende Kreativität darin.

 
37
     
    - Ich gehöre niemandem. Ich bin nicht, was ich einst war. Ich
habe keine Vergangenheit. Ich bin losgetrennt von allem, und es gibt
tatsächlich keinen Ort, wohin ich gehen könnte. Ich
muß mich ganz ihnen und ihren Plänen überlassen.
    - Ich bin physikalisch von der Außenwelt getrennt, und nun
auch geistig.
    - Meine Arbeit hier ist getan.
    - Ich warte.
    - Ich warte.
    WÜNSCHST du wirklich unter uns zu reisen, unter uns zu
sein?
    - Ja.
    Er starrt auf die roten und grünen und blauen Zeichen auf dem
Bildschirm. Die Zahlen und Diagramme verlieren momentan alle
Bedeutung, als ob er ein Neugeborenes wäre. Dann werden der
Bildschirm, die Konsole, auf der er steht,

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