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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Geschmacksvielfalt, in
allen nur denkbaren Spielarten von Süßigkeit und
Fülle. Die Kameradschaft ist überwältigend. Er liebt
seine Gruppe (wie kann er etwas anderes lieben?). Er ist ein
integraler Teil von ihr, seinerseits geliebt und benötigt.
    Plötzlich schmeckt er die Wand eines
Kapillargefäßes. Er ist Mitglied der Forschungsgruppe, die
Information weitergibt, indem sie Pakete von Nukleinsäuren
erzeugt. Absorbiert, umgestaltet, weitergibt, absorbiert…
    Hinaus! Durchstoßen!
    Das ist seine Anweisung. Er wird das Kapillargefäß
verlassen und in das Gewebe eindringen.
    Laß eine Portion draußen im Datenstrom!
    Er drängt sich zwischen die Kapillarzellen –
unterstützenden Zellen, die selbst keine Noozyten sind –
undmacht sich in der Wand fest. Nun wartet er auf Daten in Gestalt
strukturierter Proteine, Hormone und Pheromone,
Nukleinsäureketten, vielleicht sogar Daten in Form
»geschneiderter« Zellen, Viren oder domestizierter
Bakterien. Er benötigt nicht nur grundlegende Nährstoffe,
die dem Blutserum leicht entnommen werden können, sondern auch
Vorräte von den Enzymen, die ihm die Aufnahme und Verarbeitung
von Daten, das Denken schlechthin gestatten. Diese Enzyme werden von
»geschneiderten« Bakterien geliefert, die sowohl herstellen
als auch liefern.
    Das Blut ist ein Highway an Daten, eine Fernverbindung, eine
Symphonie von Informationen und Anweisungen. Es ist ein Genuß,
die reichhaltige Suppe zu verarbeiten und zu modifizieren. Die
Information hat ihre eigene Geschmacksvielfalt und ist wie ein
Lebewesen, imstande, sich im Blut zu verändern, sofern sie nicht
sorgfältig überwacht, von Zuwächsen befreit und
geschnitten wird. Worte können nicht übermitteln, was er
tut. Sein ganzes Sein ist erfüllt vom Geplapper des
Interpretierens und Verarbeitens.
    Er fühlt die schwindelerregende Spirale der Rekursion, denkt
über seine eigenen winzigen Denkprozesse nach –
Moleküle, die über Moleküle nachdenken, über sich
selbst Buch führen –, verwendet Wörter, die bis jetzt
keinen Platz in diesem Bereich hatten. Es ist, als bringe er Gottes
an einem Baum gerichtetes Wort hinab zu dem Baum und spreche es,
beobachte, wie der Baum in errötender Verwirrung
aufblüht.
    Du bist die Macht, die sanfte Kraft, der reichhaltigste
Geschmack von allem… die höchste Botschaft von
stromaufwärts.
    Seine Gefährten nähern sich ihm, versammeln sich um sein
Anhängsel im Blut, umdrängen ihn. Er ist wie ein
Mönch, der in einem Kloster plötzlich vom Atem Gottes
inspiriert ist. Die anderen Mönche versammeln sich, beseelt von
der Sehnsucht nach Teilhabe, nach einer Berührung, einem Zeichen
der Entsühnung und Wegweisung. Es ist berauschend. Er liebt sie,
weil sie seine Gruppe sind; ihr Empfinden für ihn geht über
Liebe hinaus, denn er ist die Quelle.
    Die Befehlsgruppen wissen, daß er selbst Teil einer
größeren Hierarchie ist, aber diese Information ist noch
nicht bis hinab zu der Ebene gedrungen, die er jetzt bewohnt. Die
gewöhnlichen Gruppen sind noch von Ehrfurcht erfüllt.
    Du bist der Strom allen Lebens. Du hältst den
Schlüssel zum Offnen und Schließen von Puls und
Stille.
    - Weiter, sagt er. Führt mich weiter und zeigt mir euer
Leben!

 
38
     
    »Suzy. Wach auf!«
    Suzy zwinkerte, schlug die Augen auf. Kenneth und Howard standen
über sie gebeugt. Sie hob ein wenig den Kopf sah die blau
getünchten Wände ihres Zimmers. Sie hatte die Decke bis zum
Hals hochgezogen. »Kenny?«
    »Mama wartet.«
    »Howard?«
    »Komm mit, Sämling!« So hatte Kenneth sie immer
genannt. Sie schlug die Decke zurück, dann zog sie sie wieder
hoch; sie hatte noch immer Bluse und Schlüpfer an, nicht ihren
Schlafanzug.
    »Ich muß mich anziehen«, sagte sie.
    Howard reichte ihr die Jeans. »Mach schnell!« Sie
verließen das Zimmer und schlossen die Tür hinter sich.
Sie schwang die Beine über die Bettkante und steckte sie in die
Hosenbeine, dann stand sie auf und zog den Hosenbund höher,
schloß den Reißverschluß und den Knopf
darüber. Ihr Knie schmerzte nicht. Die Schwellung war
zurückgegangen, und alles schien in Ordnung. Ihr Mund hatte
einen komischen Geschmack. Sie hielt Ausschau nach der Taschenlampe
und dem Transistorradio. Beide lagen am Boden neben dem Bett. Sie hob
sie auf, öffnete die Tür und trat hinaus in den Gang.
»Kenny?«
    Howard nahm sie beim Arm und führte sie zum Schlafzimmer der
Mutter. Die Tür war geschlossen. Kenneth legte die Hand auf die
Klinke und öffnete, und sie

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