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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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der Vorhang zur
Duschkabine dahinter und die Wände der Isolierkammer durch eine
silbrige Null ersetzt.
    Michael Bernard überquerte eine Zwischenschicht.
    Er wird entschlüsselt.
    Nicht länger aller Empfindungen, in einem Körper zu
stecken, bewußt. Kein automatisches Horchen und Reagieren auf
die Bewegungen von Muskeln, das Blubbern von Flüssigkeiten im
Bauch, das Pulsieren und Rauschen des Blutes, das
gleichmäßige Pochen des Herzens. Er gleicht nicht mehr
aus, spannt und entspannt nicht mehr. Es ist wie der plötzliche
Übergang aus einer Stadt in das Innere einer stillen
Höhle.
    Anfangs ist das Denken selbst körnig, unterbrochen. Wenn so
etwas möglich ist, sieht er sich selbst am Grundpfeiler des
Universums, wo alle Atome und Moleküle sich vereinigen und
trennen, stille Geräusche zueinander machen, wie die tastenden
Beine von Schalentieren am Meeresgrund. Er ist aufgehängt in
lautloser, zuckender Aktivität, außerstande, seine Lage
kritisch zu betrachten oder auch nur Gewißheit zu haben, was er
ist. Ein Teil seiner Fähigkeiten ist vorübergehend
abgeschnitten. Dann, mit einem Ruck, kann er beurteilen, bewerten.
Gedankenbewegungen wie das Rascheln dürrer Blätter
über eine Rasenfläche, wenn der Herbstwind bläst. Wie
ein träger Strom von Gelatine, der in eine kalte Schale
gegossen, umgerührt wird und zur Ruhe kommt.
    Seine Reise hat noch nicht einmal begonnen. Er ist noch immer in
der Zwischenschicht, nicht groß, nicht klein. Ein Teil von ihm
verläßt sich noch immer auf sein universumgroßes
Gehirn, das die Gedanken nach wie vor an den Zellen entlang leitet,
statt durch sie hindurch.
    Der Schwebezustand wird zu einer hinausgezogenen
Bewußtlosigkeit, das Denken wie ein Faden gezogen, bis es in
ein winziges Nadelöhr
paßt. ———————-
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    Auf einmal ist seine Welt erfüllt von Tätigkeit und
Einfachheit. Es gibt kein Licht, aber es gibt Geräusch,
Geräusch, das ihn in gewaltigen, trägen Wellen durchwogt,
nicht gehört, aber durch seine hundert Zellen gefühlt. Die
Zellen pulsieren, trennen sich, ziehen sich zusammen, je nach dem
Strom der Flüssigkeit. Er ist in seinem eigenen Blut. Er kann
die Gegenwart der Zellen schmecken, die sein neues Wesen ausmachen,
und von Zellen, die nicht unmittelbar von ihm sind. Er kann das
Kratzen von Mikroröhren fühlen, die sein Cytoplasma
antreiben. Am bemerkenswertesten aber ist, daß er – und
das ist tatsächlich die Grundlage allen Empfindens – das
Cytoplasma selbst fühlen kann.
    Dies ist jetzt die Grundlage seines Seins, der Strom
elektrisierender Empfindung reinen Lebens. Er ist sich der
messerscharfen chemischen Balance zwischen Belebtheit und toter
Gallerte bewußt, der geordneten Funktionen von Wurzeln,
Hierarchie, Wechselwirkung. Zusammenarbeit. Er ist Individuum, und
zugleich ist er jedes der Mitglieder seiner Gruppe, der anderen
Hundert-Zellen-Ansammlungen stromaufwärts, stromabwärts.
Die Gefährten stromabwärts sind so fern, chemisch so
isoliert, als befänden sie sich am Grund eines tiefen Brunnens;
die Gefährten stromaufwärts sind stark und reich.
    Er kann die Mechanismen seines Denkens so wenig ergründen,
wie er es in seinem universumgroßen Gehirn vermochte. Das
Denken erhebt sich über die chemischen Vorgänge, die
Wechselwirkungen innerhalb seiner Gruppe und die Prozesse in seinen
Zellen. Das Denken ist die Kombination, die Sprache aller
Wechselwirkung.
    Das Empfinden entlang den Membranen seiner Zellen ist
außerordentlich stark. Hier empfängt und fühlt er den
Druck gewaltiger molekularer Botschaften von außen. Er nimmt
datenübertragende Plasmide auf, gießt Information aus
ihnen, absorbiert sie in sein Wesen, dupliziert jene Teile, die von
anderen unter seinen Gefährten benötigt werden. Nun kommen
die Klumpen in rascher Folge, und in dem Maße, wie er sie
aufbricht und ausgießt, jeder Strang von Molekülen eine
Bibliothek, findet er, daß Stücke von Michael Bernard zu
ihm zurückkehren.
    Der riesige Bernard ist umschlossen von einer winzigen, aus
hundert Zellen bestehenden Gruppe. Er fühlt, daß es auf
der Ebene der Noozyten tatsächlich ein menschliches Wesen gibt
– ihn selbst.
    Willkommen.
    - Ich danke euch.
    Er fühlt ein Gruppenmitglied als eine

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