Blutnacht
ich weiß, das klingt merkwürdig, aber manchmal wurde die physische Anziehung einfach zu stark, als dass sie hätte ignoriert werden können. Vielleicht waren wir füreinander bestimmt. Wäre das nicht ein Lacherfolg?«
»Ein Lacherfolg?«
»In einer seltsamen Vorhölle zu leben«, erklärte Kipper. »Ich wollte sie nicht aus meinem Leben streichen, warum auch? Und jetzt ist sie fort. Und Sie verschwenden hier Ihre Zeit.«
»Sir –«
»Hey«, sagte Kipper, »ich gebe Ihnen eine Blankovollmacht. Kommen Sie in mein Haus und reißen Sie die verdammten Bodendielen heraus. Aber wenn Sie damit fertig sind, würden Sie mir dann einen Gefallen tun und sich ernsthaft daranmachen, den Scheißkerl zu schnappen, der es wirklich getan hat? Und falls Sie ihn zu fassen kriegen, sagen Sie ihm, er wäre ein beschissener Irrer, der ein Stück Schönheit aus dieser Scheißwelt herausgeschnitten hat.«
Er schrie. Knallrot im Gesicht, weiße Knöchel an den übergroßen Händen.
Kipper atmete aus und sackte in sich zusammen.
Milo sagte: »Ich habe noch ein paar Fragen.«
»Ja, ja, schon gut.«
»Sie waren bei der Eröffnung –«
»Ich war da und hab zwei Bilder gekauft.«
»Ihre Exfrau hatte nichts dagegen?«
»Warum sollte sie was dagegen haben?«
»Angesichts ihrer Unabhängigkeit«, sagte Milo, »haben Sie sich da keine Sorgen gemacht, sie könnte das als Akt der Wohltätigkeit ansehen?«
»Ich hätte mir Sorgen gemacht, wenn Julie und ich uns nicht vor einiger Zeit über die Bilder unterhalten hätten. Ich hatte sie bei ihr zu Hause gesehen und ihr gesagt, ich wolle wirklich zwei davon haben. Sie hatte vor, sie mir umsonst zu geben, aber das wollte ich nicht. Ich sagte, sie sollte sie in der Ausstellung aufhängen, mit einem roten Punkt. Ein strategischer Schachzug – die Sachen sind heiß begehrt, greift sie euch.«
»Wie lange sind Sie bei der Eröffnung geblieben?«
»Bis eine halbe Stunde vor Schluss.«
»Und das wäre?«
»Halb zehn, zwanzig vor.«
»Wohin sind Sie danach gegangen?«
»Aha«, sagte Klipper. »Das Alibi. Nun ja, ich habe keins. Ich hab mich in meinen Wagen gesetzt und bin rumgefahren. Von der Sepulveda bis zum San Vicente, rüber zur Seventh und runter in den Santa Monica Canyon. Ich kenne die Gegend, weil es da eine Tankstelle gibt, die Benzin mit hundert Oktan und einen Zusatz verkauft, der es auf hundertvier erhöht. In Pasadena gibt es auch eine. Ich hatte vor, eine Fahrt am Strand entlang zu machen, und beschloss, dass ich mehr Kurven haben wollte – der Ferrari liebt Kurven hab gewendet und den Sunset bis zum Benedict Canyon genommen, eine kleine Spritztour.«
»Sprit mit hundert Oktan«, sagte Milo. »Wie viel zahlen Sie dafür?«
»Im Moment vier fünfzig die Gallone.«
Milo stieß einen Pfiff aus.
Kipper sagte: »Der Ferrari braucht das.«
»Welches Modell?«
»Ein Testarossa.«
»Ein Kunstwerk«, sagte Milo.
»Oh ja«, erwiderte Kipper. »Hohe Wartungskosten. Wie alles andere in meinem Leben.«
10
»Der trauernde Exmann«, sagte Milo, als wir Century City verließen und am ABC-Unterhaltungszentrum vorbeifuhren.
»Wütender Exmann. Große, starke Hände und ein aufbrausendes Temperament, und wenn er über die Kunstszene zu sprechen beginnt, gerät er in Rage.«
»Blutegel am Leib der Kunst.«
»Und Julie blieb im Leib der Kunst.«
»Er beschäftigt dich.«
»Es lohnt sich, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen«, sagte ich. »Er ist klug und kräftig. Und er war in der Galerie. Sogar in seiner Zusammenfassung klang seine Beziehung zu Julie kompliziert. Eine Ehe voller Aufruhr, gelegentliche physische Intimität zehn Jahre nach der Scheidung. Wenn Sexualpartner eine Vergewaltigung vortäuschen wollen, schaffen sie es im Allgemeinen nicht ganz. Ziehen den Slip herunter und nicht aus. Kipper behauptet, er hätte Julie dazu überreden müssen, Geld von ihm anzunehmen, aber wer weiß. Er könnte auch ein sehr frustrierter Mensch sein. Er hat sich offenbar mal Hoffnungen auf eine Karriere als Künstler gemacht. Träume aufzugeben ist nicht immer leicht.«
»Auch nicht mit einem Ferrari, um die Depressionen abzumildern?«
»Woran er uns drei Mal erinnert hat. Ein Ferrari, den er mit Sprit im dreistelligen Oktanbereich voll pumpt. Denk mal drüber nach: Er zahlt eine saftige Zulage, um einen bereits hochtourigen Motor aufzupeppen. Wir reden von einem aggressiven Typ. Leg noch eine schwierige Exfrau obendrauf, mit der er weiterhin schlief, und die Sache mit dem Geld
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