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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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versteigert worden. Achtzehnhundert Dollar für ein zehn Jahre altes Ölgemälde mit dem Titel Marie an ihrem Küchentisch. Kein Begleitfoto. Die Versteigerung hatte Stücke im unteren Preisbereich gehandelt; nur wenige von ihnen waren abgebildet.
    Die Provenienz des Gemäldes verriet mir wenig, was ich nicht hätte erraten können: von der Lewis Anthony Gallery an einen »privaten Sammler«.
    Ich gab Anthony ein. Fünfzig Treffer. Er war vor fünf Jahren gestorben, aber die Galerie gab es immer noch.
    Ich dachte über den Weg nach, den Julie Kippers Leben genommen hatte. Sie hatte sich mit Hilfe von Drogen durch eine selbstzerstörerische Produktionsphase gequält, um den Forderungen des Galeristen gerecht zu werden. Drei Bilder.
    Und jetzt war eins dieser Bilder von seinem Besitzer für weniger Geld abgestoßen worden, als es ihn gekostet hatte.
    Demoralisierend, falls sie davon gewusst hatte.
    Ich würde wetten, dass sie es gewusst hatte. Irgendwie hatte irgendjemand es sie wissen lassen.
    Trotzdem hatte sie beschlossen, ein Comeback zu versuchen. Vielleicht hatte die Auktion ihr Comeback vorangetrieben.
    Hatte sie etwas geschaffen, was sie für ihre besten Arbeiten hielt, und auf eine zweite Chance mit einer anderen hochkarätigen Galerie gehofft, nur um sich dann mit Light and Space zufrieden zu geben?
    Niedriger Output bedeutete: kein Markt zum Weiterverkauf.
    Die geringe Nachfrage nach ihren Bildern schloss ein mögliches Motiv für den Mord aus: dass nämlich jemand versuchte, den Wert einer Investition zu erhöhen, weil tote Künstler oft höhere Preise erzielen als lebende. Das traf nur auf Künstler zu, die eine Rolle spielten. Was die Kunstszene betraf, hatte Juliet Kipper nie existiert, und ihr Tod würde kein Blinzeln hervorrufen.
    Nein, dieser Mord hatte keinen kommerziellen Hintergrund. Dieser Mord hatte persönliche Motive.
    Ein intelligenter Mörder. Vorausschauend und äußerlich gelassen, aber innerlich … Wut, die gezügelt wurde, um eine kalte und kalkulierte Aktion durchzuführen.
    Bei seinem ersten Anruf hatte Milo es als einen »schrägen Fall« bezeichnet, aber der Mörder würde es nicht so sehen. Einen Draht um Juliet Kippers Hals zu legen würde ihm äußerst vernünftig vorkommen.
    Ich trank ein Bier, dachte über Julies leuchtende Bilder und ihr ausgelöschtes Talent nach und griff dann nach dem Telefon.
    Die Lewis Anthony Gallery war mit einer Adresse in der Fifty-seventh Street in New York verzeichnet. Die Frau, die den Hörer abnahm, artikulierte die Wörter, wie eine Schere durch Nagelhaut schneidet.
    »Mr. Anthony ist vor einigen Jahren verschieden.« Ihr Ton gab zu verstehen, dass sie die Kenntnis dieses Umstands als Voraussetzung für die amerikanische Staatsbürgerschaft betrachtete.
    »Vielleicht können Sie mir helfen. Ich bin auf der Suche nach Arbeiten von Juliet Kipper.«
    »Von wem?«
    »Juliet Kipper, der Malerin. Sie wurde vor einigen Jahren von Ihrer Galerie vertreten.«
    »Wie viel sind einige?«
    »Zehn.«
    Sie schnaubte. »Das ist eine Ewigkeit. Nie von ihr gehört. Guten Tag.«
    Ich saß da und fragte mich, wie es wohl wäre, mit dieser Einstellung die ganze Zeit zu tun zu haben. Aufzuwachsen mit einem Kopf voller Schönheit und der Gabe der Interpretation, von Menschen, die dich liebten, gesagt zu bekommen, wie brillant du wärst – süchtig zu werden nach den Oohs und Aahs –, nur um dann einzutreten in das, was als »die wirkliche Welt« bezeichnet wurde, und zu erfahren, dass Liebe aber auch gar nichts bedeutete.
    Julie Kipper war mit einem eiskalten Universum konfrontiert worden, das die Begabten als Futter betrachtete.
    Die Freundlichkeit von Fremden, wie Blanche Dubois es genannt hatte.
    Trotz alledem hatte sie erneut ihre inneren Reserven mobilisiert und Arbeiten von überragender Schönheit geschaffen.
    Nur um in einer schmutzigen Toilette garrottiert und in einer anzüglichen Pose wie eine Puppe arrangiert zu werden.
    Den Menschen zu finden, der das getan hatte, schien auf einmal sehr wichtig zu sein.
    Erst mehrere Stunden später – nachdem ich Berichte abgeschlossen und gemailt, einige Rechnungen bezahlt hatte und zur Bank gelaufen war, um Schecks von Anwälten einzureichen – fiel mir etwas anderes im Zusammenhang mit Julie auf.
    Ein begabter, beschädigter Mensch, der mit dem zarten Schimmer eines Comebacks vor Augen gewaltsam ausgelöscht worden war.
    Das Gleiche konnte auch von Baby Boy Lee gesagt werden.
    Ich verglich die beiden Fälle. Beide

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