Blutnacht
langweilig und uninspiriert gespielt hätte, war aus dem Studio gestürmt und verschwunden. Zwei Monate später wurden Teile ihres Skeletts von Wanderern nicht weit vom Hollywood-Schild entdeckt, kaum von Gestrüpp verborgen. Sie wurde anhand ihrer zahnärztlichen Unterlagen identifiziert. Eine gebrochene Halswirbelsäule und die Abwesenheit von Schusslöchern und Stichwunden ließen als Todesursache eine Strangulation vermuten, aber das war so ziemlich alles, was der Gerichtsmediziner beisteuern konnte.
China Marangas Zähne waren leicht zu identifizieren gewesen – als Kind hatte sie eine umfangreiche kieferorthopädische Behandlung durchgemacht. Ihr eigentlicher Name war Jennifer Stilton, und sie war in einem großen Haus in Palo Verdes als Tochter des Geschäftsführers einer Lebensmittelkette und einer Innenarchitektin aufgewachsen. Sie hatte gute Noten in der Prep School bekommen, wo ihr ein lieblicher Sopran eine Hauptrolle im Schulchor eingetragen hatte. Sie wurde von Stanford angenommen, wählte englische Literatur als Hauptfach, wurde abhängig von alternativer Musik, Whiskey und Kokain, häufte eine Kollektion von Tattoos und Piercings an und stellte im zweiten Studienjahr eine Band von Kommilitonen mit ähnlichen Interessen zusammen, die mit ihr zusammen die Uni vorzeitig verließen. Die nächsten paar Jahre zog sie mit China Whiteboy durch das Land, sie spielten in kleinen Clubs und gewannen Kultstatus, schafften es aber nicht, einen Plattenvertrag an Land zu ziehen. Während dieser Zeit verwandelte China ihren lieblichen Sopran in ein abgehacktes atonales Schreien. Auf einer Tournee durch Deutschland und die Niederlande erreichten sie ein größeres Publikum und schlossen einen Vertrag mit einem alternativen Label in L.A. Der Verkauf der beiden CDs von China Whiteboy ließ sich überraschend lebhaft an, die Band weckte allmählich das Interesse von Leuten mit Einfluss, es wurde von einem Vertrag mit einer großen Plattenfirma gemunkelt.
Der Mord an China setzte all dem ein Ende.
China konnte kaum Gitarre spielen, aber sie schwang eine als Requisit – eine ramponierte alte Vox Teardrop, mit der sie nicht eben pfleglich umging. Ich wusste das, weil zwei Mitglieder der Band – ein Paar Gespenster mit schlechter Haltung und minimalem Wortschatz namens Squirt und Brancusi – keinen Spaß verstanden, was ihre Ausrüstung betraf, und wenn sie Reparaturen brauchten, dann kamen sie zu Robin. Als China den Hals der Vox bei einem ihrer überschwänglicheren Wutanfälle auf der Bühne zerbrach, gaben die Jungs Robins Nummer weiter.
Ich erinnerte mich an den Tag, als China vorbeikam. Ein besonders unerfreulicher Julinachmittag, der von einem Westküsten-Smog und einer Ostküsten-Luftfeuchtigkeit förmlich erwürgt wurde. Robin arbeitete hinten, und ich war in meinem Arbeitszimmer, als es an der Tür klingelte. Acht Mal hintereinander. Ich stapfte nach vorne, und als ich die Tür aufmachte, stand eine blasse, kurvenreiche Frau mit einem Igelschnitt davor, der so schwarz und glänzend war wie La-Brea-Teer. Sie trug eine Gitarre in einer weichen Segeltuchtasche und sah mich an, als wäre ich der Eindringling. Unterhalb der Terrasse war ein großer, staubiger Buick geparkt, der die Farbe von Billigsenf hatte.
Sie sagte: »Wer zum Teufel sind Sie, und hab ich mich so sehr verirrt, wie ich mir vorkomme?«
»Wo möchten Sie sein?«
»Im Paradies und jungfräuliche Knaben vernaschen – ist das hier das Haus der Gitarrenlady oder nicht?«
Sie klopfte mit dem Fuß auf den Boden. Rollte mit den Schultern. Ihr linkes Auge zuckte. Ihre Gesichtszüge waren wenig bemerkenswert, hätten aber angenehm sein können, wenn sie entspannter gewesen wäre. Die Blässe verdankte sich zum Teil der aschgrauen Theaterschminke, die sie dick aufgetragen hatte und die durch den kohlschwarzen Lidstrich noch betont wurde. Der Rest verriet ungesunde Gewohnheiten.
Tattoos aus schwarzer Tinte – schlangenförmige, abstrakte Bilder – bedeckten, was ich von ihrem linken Arm sehen konnte. Ein blauschwarzes Kreuz markierte die rechte Seite ihres Gesichts, wo der Unterkiefer das Ohrläppchen traf. Beide Ohren hatten schwer an einer Ansammlung von Ringen und Steckern zu tragen. All das und die gepiercten Augenbrauen und die Nasenstecker sagten: Nimm mich zur Kenntnis. Ihr blaues Oxford-Hemd mit den winzigen weißen Pünktchen und dem Button-down-Kragen sprach für einen Überfall auf Daddys Kleiderschrank. Das Hemd war in einen karierten
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