Blutnacht
zwei große Fenster, die auf üppige Rasenflächen hinausblickten. Impressionistische kalifornische Landschaften, vermutlich wertvoll, vermutlich Collegebesitz, hingen überall dort, wo die Bücherregale aufhörten. Elizabeth Martins Promotionsurkunde von Berkeley und zahlreiche akademische Ehrungen waren an der Wand hinter ihrem geschnitzten Doppelschreibtisch aufgehängt. Auf dem Schreibtisch standen ein rauchgrauer Laptop und ein Sortiment von Büroutensilien aus Kristall. Ein offener Kamin aus grünem Marmor beherbergte einen Rost mit kalten, angekohlten Scheiten.
Sie setzte sich und forderte mich mit einer Handbewegung auf, es ihr gleichzutun. »Was genau ist passiert?«
Ich versuchte mit so wenig Details wie möglich mitteilsam zu erscheinen.
»Nun ja, das ist alles schön und gut, Professor Delaware, aber es handelt sich hier um Dinge, die im Ersten Verfassungszusatz geregelt sind, ganz zu schweigen von akademischer Freiheit und simpler Höflichkeit. Sie erwarten nicht ernstlich, Sie könnten hier hereinspazieren und uns dazu bringen, unsere Akten offen zu legen, nur weil das Ihren Ermittlungen zum Vorteil gereicht. Worum immer es dabei angeblich geht.«
»Ich bin nicht an vertraulichen Informationen über Kevin Drummond interessiert. Nur an Dingen, die für Ermittlungen in einem Mordfall relevant sein könnten, wie beispielsweise disziplinarische Probleme.«
Elizabeth Martin blieb unbeeindruckt.
»Wir reden von mehrfachem Mord«, sagte ich. »Falls sich herausstellt, dass Drummond in kriminelle Aktivitäten verwickelt war, wird das an die Öffentlichkeit dringen. Falls er hier Probleme verursacht und Charter es vertuscht hat, wird das College mit hineingezogen werden.«
»Ist das eine Drohung?«
»Nein«, erwiderte ich. »Nur eine Feststellung dessen, welchen Lauf solche Dinge nehmen.«
»Polizeiberater … Fühlt sich Ihr akademischer Fachbereich wohl bei Ihren Aktivitäten? Informieren Sie ihn über alle Einzelheiten?«
Ich lächelte. »Ist das eine Drohung?«
Martin rieb sich die Hände. Ein Foto in einem Silberrahmen auf dem Kaminsims zeigte sie in einem roten Abendkleid neben einem zehn Jahre älteren, grauhaarigen Mann im Smoking. Auf einem anderen Foto stand sie in Freizeitkleidung neben demselben Mann. Hinter ihnen Häuser mit goldenen und rotbraunen Ziegeln auf den Dächern. Ein diagonales Stück grünblauer Kanal, der geschwungene Bug einer Gondel. Venedig.
»Egal wie die möglichen Konsequenzen aussehen«, sagte sie, »ich kann mich damit nicht einverstanden erklären.«
»Das ist nur recht und billig«, erwiderte ich. »Aber wenn es etwas gibt, was ich wissen sollte – was die Polizei wissen sollte –, und Sie schließlich eine Möglichkeit finden, uns zu helfen, wird das das Leben einer Menge Leute leichter machen.«
Sie nahm einen goldenen Füllfederhalter aus einem Lederetui und trommelte damit auf den Schreibtisch. »Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Ich kann mich nicht erinnern, dass Kevin Drummond irgendwelche Probleme im Fachbereich verursacht hat. Es war überhaupt nichts … Mörderisches an ihm.« Der Federhalter klopfte gegen ihren Eingangskorb. »Wirklich, Professor Delaware, das klingt alles ziemlich bizarr.«
»Haben Sie Kevin persönlich unterrichtet?«
»Wann hat er sein Examen gemacht?«
»Vor zwei Jahren.«
»Dann muss ich Ja sagen. Vor zwei Jahren habe ich noch mein Seminar über Massenmedien abgehalten, und für jeden Studenten mit Kommunikationswissenschaften im Hauptfach war der Schein obligatorisch.«
»Aber Sie haben keine spezifische Erinnerung daran, ihn unterrichtet zu haben?«
»Es war eine gut besuchte Veranstaltung«, sagte sie ohne Überheblichkeit. »Kommunikationswissenschaften sind in Charter ein Zweig des humanwissenschaftlichen Grundstudiums. Unsere Studenten belegen Pflichtseminare in anderen Fachbereichen und vice versa.«
»Ich nehme an, Kevin Drummond hatte einen Fachbereichsmentor.«
»Ich war nicht seine Mentorin. Ich arbeite mit den ausgezeichneten Studenten.«
»Kevin war nicht ausgezeichnet worden?«
»Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte ich eine spezifische Erinnerung.« Sie begann auf ihrem Laptop zu tippen.
Ich war entlassen.
Wenn ich den Gang hinunterging, um die Professoren Santorini und Shull aufzusuchen, würde das ihrer Aufmerksamkeit vermutlich nicht entgehen. Ich würde eine andere Möglichkeit finden müssen, um mit ihren Kollegen in Kontakt zu treten. Oder es Milo tun lassen.
Ich war aufgestanden, als sie
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