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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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gegen Ende Zeilen aus »der totemistischen, aortabelastenden Klage ›A Cold Heart«‹ und schloss damit, dass »für einen Bluesmann die Welt immer ein kaltherziger, abweisender, verräterischer Ort sein wird. Nirgendwo trifft die Wendung ›kein Gewinn ohne Schmerz‹ mehr zu als in dem dunklen Universum verrauchter Bars und leichter Mädchen, in dem es kein Happy End gibt und das den Genius jedes skorbutkranken Baumwollpflückers und süchtigen Saitenzupfers seit undenklichen Zeiten genährt hat. Baby Boy mag niemals ein glücklicher Mann sein, aber seine Musik, roh und vital und entschieden unkommerziell, wird weiterhin die Herzen von vielen wärmen.«
    Ein Jahr später hatte Lee diese These Lügen gestraft, indem er bei den Aufnahmen mitgewirkt hatte, aus denen der Monster-Pophit von Tic 439 hervorging.
    Kognitive Dissonanz, aber auf den ersten Blick kein überzeugendes Motiv für einen Mord.
    Ich musste mehr über Kevin Drummond in Erfahrung bringen.
    Der Fachbereich Kommunikationswissenschaften des Charter College war in Frampton Hall untergebracht, einem majestätischen Bau mit dorischen Säulen, der von der Bibliothek etwa fünf Minuten entfernt lag. Innen hatte er abgenutzte Mahagoniwände, ein Kuppeldach und Korkböden, die die Schritte dämpften. Das Gebäude beherbergte außerdem die Fachbereiche Englische Literatur, Geschichte, Humanwissenschaften, Genderstudien und Romanische Sprachen. Kommunikationswissenschaften teilten sich den zweiten Stock mit den beiden letzteren.
    Drei Mitglieder des Lehrkörpers waren auf der Anzeigetafel aufgeführt: Professor E.G. Martin, Lehrstuhlinhaberin; Professor S. Santorini; Professor A. Gordon Shull.
    Oben anfangen.
    Vor dem Eckzimmer von Professor Martin befand sich ein leerer Empfangsbereich. Die Tür zu einem dahinter liegenden Büro stand fünfzehn Zentimeter weit auf, und das Klick-klack einer Tastatur strömte in das Vorzimmer. Sepiafarbene Fotos des Charter College in den Kinderschuhen schmückten die Wände. Große, saubere Gebäude, die zierliche Setzlinge überragten; ernste Männer mit Zelluloidkrägen und bis obenhin zugeknöpfte Frauen mit dem entschlossenen Blick der vom Himmel Gesandten. Ein Schild über der nächsten Ablage buchstabierte den vollen Namen der Lehrstuhlinhaberin. Dr. phil. ELIZABETH GALA MARTIN.
    Ich näherte mich der offen stehenden Tür. »Professor Martin?«
    Weitere Anschläge auf der Tastatur, dann Stille. »Ja?«
    Ich nannte meinen Namen, fügte meinen akademischen Titel an der Medizinischen Fakultät Downtown hinzu und schob die Tür weitere fünf Zentimeter auf.
    Professoral.
    Eine sehr dunkle Schwarze in einem wadenlangen Kleid aus topasgelber Seide und passenden Pumps kam um ihren Schreibtisch herum. Sie hatte wassergewellte, hennagefärbte Haare, trug eine Perlenkette und dazu passende Ohrringe. Um die vierzig, mollig, hübsch, verwirrt. Scharfe Lakritzaugen über einer goldenen Lesebrille musterten mich prüfend.
    »Professor der Pädiatrie?« Ein Alt, der unter anderen Umständen vielleicht voll und weich geklungen hätte, unterteilte jedes Wort in präzise Silben. »Ich kann mich nicht an einen Termin erinnern.«
    »Ich habe keinen«, sagte ich und zeigte ihr meinen Ausweis als Berater des LAPD. Sie kam näher, las das Kleingedruckte, runzelte die Stirn.
    »Polizei? Was hat das zu bedeuten?«
    »Nichts Beunruhigendes, aber wenn Sie so nett wären, mir ein paar Minuten Ihrer Zeit zu schenken?«
    Sie trat zurück und musterte mich erneut. »Das ist ungewöhnlich, um es milde auszudrücken.«
    »Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe in Ihrer Bibliothek recherchiert, und Ihr Name tauchte auf. Falls Sie lieber einen Termin mit mir –«
    »Inwiefern tauchte mein Name auf?«
    »Als Lehrstuhlinhaberin der Kommunikationswissenschaften. Ich ermittle gegen einen Ihrer ehemaligen Studenten. Einen Mann namens Kevin Drummond.«
    »Sie ermitteln gegen ihn«, sagte sie. »Das heißt, die Polizei ermittelt.«
    »Ja.«
    »Welcher Straftat wird Mr. Drummond verdächtigt?«
    »Kennen Sie ihn?«
    »Ich kenne den Namen. Wir sind ein kleiner Fachbereich. Was hat Mr. Drummond getan?«
    »Vielleicht nichts«, erwiderte ich. »Vielleicht Mord.«
    Elizabeth G. Martin nahm ihre Brille ab. Dumpfes Pochen ertönte aus dem Korridor. Schuhe auf Kork. Jugendliches Geschnatter schwoll an und verklang wieder.
    »Stehen wir nicht länger hier draußen«, sagte sie.
    Ihr Büro war mit Perserteppichen ausgelegt, an den Wänden standen Bücherregale und es gab

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