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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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mitteilen, oder? Meine alten journalistischen Instinkte kommen wieder zum Vorschein.«
    »Tut mir Leid«, sagte ich. »Dann sind Sie also vom Journalismus in die akademische Welt gewechselt.«
    »Die akademische Welt hat ihre Vorzüge«, erwiderte Shull.
    »Was können Sie mir noch über Kevin sagen?«
    »Das ist wirklich alles. Und in wenigen Minuten beginnt meine Sprechstunde.«
    »Ich werde nicht mehr viel von Ihrer Zeit in Anspruch nehmen, Professor. Was können Sie mir noch über Kevins Verlegerträume erzählen?«
    Shull zog an seinem Kinn. »Sobald er für diese Verlagsidee Feuer gefangen hatte – in seinem letzten Studienjahr war das alles, worüber er reden wollte. Kids sind nun mal so.«
    »Wie?«
    »Besessen. Wir lassen sie zum College zu und nennen sie Erwachsene, aber in Wirklichkeit sind sie noch Heranwachsende, und Heranwachsende sind obsessiv. Ganze Industrien sind aufgrund dieser Tatsache entstanden.«
    »Wovon war Kevin besessen?«
    »Vom Erfolg, nehme ich an.«
    »Nahm er einen bestimmten Standpunkt ein?«
    »Im Hinblick auf was?«
    »Auf Kunst.«
    »Kunst«, wiederholte Shull. »Erneut reden wir von den Haltungen Heranwachsender. Kevin hielt an dem grundlegenden studentischen Glauben fest.«
    »Und der wäre?«
    »Antikommerzialismus. Wenn es sich gut verkauft, ist es Scheiße. Fundamentaler Stoff für Wohnheim-Debatten.«
    »Das hat er Ihnen gesagt.«
    »Mehr als einmal.«
    »Sie denken anders darüber?«
    »Mein Job ist es, die kleinen Entlein zu füttern, nicht, sie mit den Schrotkörnern der Kritik zu beharken.«
    »Wenn Kevin Ihnen seine Artikel zeigte, haben Sie sie dann redigiert?«
    »Nicht seine Artikel. Bei Referaten, die ich ihm zugewiesen hatte, schlug ich kleinere Änderungen vor.«
    »Wie ist er mit Kritik umgegangen?«
    »Gut.« Shull nickte. »Sehr gut sogar. Manchmal bat er um mehr. Ich nehme an, er sah zu mir auf. Ich gewann den Eindruck, dass er nirgendwo sonst viel Unterstützung fand.«
    »Wissen Sie, dass Kevin Kunstkritiken für den Daily Bobcat geschrieben hat?«
    »Ach die«, sagte Shull. »Er war ziemlich stolz darauf.«
    »Er hat sie Ihnen gezeigt?«
    »Er hat damit angegeben. Ich vermute, er hat schließlich Vertrauen zu mir gefasst. Was nicht Pizza und Bier außerhalb der Dienstzeit bedeutete. Dieser Typ Junge war Kevin nicht.«
    »Welcher Typ ist das?«
    »Der Typ, mit dem man gern ein Bier trinken würde.«
    »Hat er Ihnen von seinen Pseudonymen erzählt?«, fragte ich.
    Shull zog die Augenbrauen in die Höhe. »Was für Pseudonyme?«
    »›Faithful Scrivener‹«, sagte ich. »›E. Murphys‹. Er benutzte sie, um für sein Magazin und andere Kunstzeitschriften zu schreiben.«
    »Tatsächlich«, erwiderte Shull. »Wie merkwürdig. Warum?«
    »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir das sagen, Professor.«
    »Schluss mit dem Titel. Nennen Sie mich Gordie … Pseudonyme … Wollen Sie damit andeuten, dass Kevin irgendetwas verheimlichte?«
    »Kevins Motive sind immer noch mysteriös«, sagte ich.
    »Nun ja, ich weiß nichts von irgendwelchen Pseudonymen.«
    »Sie sagten, Kevins Noten hätten im Lauf der Zeit nachgelassen. Haben Sie irgendwelche Änderungen in seinem Stil bemerkt?«
    »Inwiefern?«
    »Er scheint von einfach und direkt zu wortreich und prätentiös übergegangen zu sein.«
    »Autsch«, sagte Shull. »Sie sind der Kritiker, nicht ich.« Er zog die Krawatte herunter und öffnete den Kragen seines karierten Hemds. »Prätentiös? Nein, im Gegenteil. Das wenige, was ich von Kevins Entwicklung sah, schien eine Verbesserung anzudeuten. Ein wenig mehr Eleganz. Aber ich nehme an, das ergäbe einen Sinn. Wenn Sie Recht damit haben, dass Kevin gestört ist. Falls sein Geisteszustand sich verschlimmerte, würde sich das auch in seinem Stil zeigen, nicht wahr? So, es tut mir Leid, aber ich habe einen Termin.«
    Als wir an der Tür ankamen, sagte er: »Ich weiß nicht, was Kevin Ihrer Ansicht nach getan hat – wahrscheinlich will ich es gar nicht wissen. Aber ich muss sagen, dass er mir Leid tut.«
    »Warum?«
    Anstatt zu antworten, öffnete er die Tür, und wir traten in den Gang. Eine hübsche junge Asiatin saß ein paar Schritte entfernt auf dem Boden. Als sie Shull sah, stand sie auf und lächelte.
    Er sagte: »Gehen Sie schon rein, Amy. Ich bin sofort bei Ihnen.«
    Als das Mädchen verschwunden war, fragte ich: »Warum tut Kevin Ihnen Leid?«
    »Trauriger Junge«, erwiderte er. »Lausiger Schreiber. Und jetzt sagen Sie mir, er wäre ein irrer Killer. Ich würde

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