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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sagte: »Sein Mentor war Gordon Shull. Was ein Glück für Sie ist, weil Professor Susan Santorini auf einer Forschungsreise in Frankreich ist.«
    Überrascht angesichts der plötzlichen Wendung sagte ich: »Kann ich mit Professor Shull sprechen?«
    »Nur zu«, erwiderte sie. »Falls er hier ist. Sein Büro ist zwei Türen weiter auf der linken Seite.«
    Draußen auf dem Mahagonikorridor standen mehrere Studenten herum. Ein Stück entfernt bei den Romanisten. Niemand versammelte sich bei den Kommunikationswissenschaftlern.
    A. Gordon Shulls Bürotür war verschlossen, und mein Klopfen wurde durch Schweigen beantwortet. Ich war dabei, eine Nachricht zu schreiben, als eine herzliche Stimme sagte: »Kann ich Ihnen helfen?«
    Ein Mann mit einem Rucksack war gerade die Hintertreppe hochgekommen. Er war Mitte dreißig, ungefähr eins dreiundachtzig, gut gebaut und hatte kurz geschorene rötliche Haare und ein kantiges, wettergegerbtes Gesicht mit einer hohen Stirn. Er trug ein rot-schwarz kariertes Hemd, schwarze Krawatte, schwarze Jeans, braune Wanderschuhe. Der Rucksack war armeegrün. Blassblaue Augen, ein Fünftagebart; auf eine raue Weise gut aussehend. Ein Fotograf für National Geographie oder ein Naturforscher, der in der Lage ist, Stipendien zum Studium seltener Arten zu ergattern.
    »Professor Shull?«
    »Ich bin Gordie Shull. Was liegt an?«
    Ich wiederholte den kurzen Vortrag, den ich Elizabeth Martin gehalten hatte.
    A. Gordon Shull sagte: »Kevin? Es ist wie lange … zwei Jahre her. Was ist das Problem?«
    »Vielleicht gibt es gar keins. Sein Name ist im Zusammenhang mit Ermittlungen aufgetaucht.«
    »Was für Ermittlungen?«
    »In einem Mordfall.«
    Shull trat zurück, nahm den Rucksack ab und kratzte sich an seinem kräftigen Kinn. »Sie machen Witze. Kevin?« Er ließ seine Schultern kreisen. »Das ist völlig verrückt.«
    »Als Kevin Ihr Student war, hat er Ihnen da irgendwelche Probleme bereitet?«
    »Probleme?«
    »Disziplinäre Probleme?«
    »Nein. Er war ein bisschen … wie kann ich das ausdrücken … exzentrisch?«
    Er zog einen großen verchromten Schlüsselring aus der Jeans und schloss die Tür auf. »Ich sollte vermutlich nicht mit Ihnen reden. Vertrauliche Informationen … und so weiter. Aber Mord … ich glaube, ich sollte das mit meiner Chefin besprechen, bevor wir weitermachen.« Seine Augen wanderten den Gang hinunter zu Elizabeth Martins Büro.
    »Professor Martin hat mich zu Ihnen geschickt. Sie ist es, die mir gesagt hat, Sie wären Kevin Drummonds Mentor.«
    »Hat sie das? Hmm … nun ja, dann ist es okay … nehme ich an.«
    Sein Büro hatte ein Drittel der Größe von dem seiner Vorgesetzten, schokoladenbraune Wände und war düster, bis er die Jalousie an einem einzelnen schmalen Fenster hochzog. Der Blick durch die Scheiben wurde von einem dicken, knorrigen Baumstamm blockiert, und Shull musste das Licht anknipsen, um das Zimmer aufzuhellen.
    Der Status innerhalb des Fachbereichs war im Charter College klar markiert. Shulls Schreibtisch und Bücherregale kannten Holz nur als Furnier, seine Stühle waren aus grau lackiertem Metall. Hier gab es keinen kalifornischen Impressionismus, nur zwei Poster von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in New York und Chicago.
    Zwei schwarz gerahmte Diplome hingen schief hinter seinem Schreibtisch. Eine fünfzehn Jahre alte Magisterurkunde vom Charter College und ein Diplomzeugnis von der University of Washington.
    Shull warf seinen Rucksack in eine Ecke und setzte sich. »Kevin Drummond … wow.«
    »In welcher Hinsicht war er exzentrisch?«
    Er schwang die Füße auf seinen Schreibtisch und legte die Hände hinter seinen Kopf. Sein Grundausbildungshaarschnitt offenbarte einen großen Schädel unter den rötlichen Stoppeln. »Sie sagen nicht wirklich, dass der Junge ein Mörder ist?«
    »Ganz und gar nicht. Nur dass sein Name im Zusammenhang mit Ermittlungen aufgetaucht ist.«
    »Wie?«
    »Ich wünschte, ich könnte es Ihnen sagen.«
    Shull grinste. »Nicht fair.«
    »Was können Sie mir über ihn sagen?«
    »Sie sind Psychologe? Man hat Sie geschickt, weil jemand glaubt, Kevin sei psychisch gestört?«
    »Manchmal hat die Polizei den Eindruck, ich wäre für eine bestimmte Aufgabe der Richtige.«
    »Unglaublich … aus irgendeinem Grund kommt mir Ihr Name vertraut vor.« Ich lächelte. Er erwiderte das Lächeln. »Okay, Kevin Drummonds exzentrisches Benehmen … Zunächst einmal war er ein Einzelgänger – zumindest soweit ich das

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