Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutnebel

Blutnebel

Titel: Blutnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
das Getränk vor Ramsey abstellte.
    Sie musterte es argwöhnisch, ehe sie ihm einen scheelen Blick zuwarf. »Was hast du da reingetan?«
    Er zog die Mundwinkel nach oben. »Als Erwachsener fand ich schon immer, dass heißer Kakao nie so ganz der Knüller ist, solange nicht ein kleiner Schuss Schnaps drin ist.« Um ihre Befürchtungen zu dämpfen, griff er nach dem Becher und trank einen Schluck, ehe er ihn wieder vor sie hinstellte. »Trink.« Ihre Finger umfassten den Becher, als wollten sie dessen Wärme aufsaugen. So kalt, wie ihre Haut noch immer war, hatte sie das bitter nötig.
    »Und da dachte ich, in Cripolo gäbe es ein paar schillernde Gestalten.«
    »Gibt es bestimmt. Aber wir haben hier auch welche.« Da sie noch eine Aufforderung zu brauchen schien, stupste er sie sachte an der Hand, bis sie den Becher zum Mund führte und daraus trank. »Ich hätte nie erwartet, dass Ezra T. dermaßen ausrastet. Es tut mir leid, dass er dir wehgetan hat.«
    »Und mir ist peinlich, dass er es überhaupt geschafft hat.« Ihre Stimme klang verdrossen, aber kräftiger als zuvor. Sie trank noch einen Schluck. »Es war die reine Blödheit meinerseits, mich dermaßen überrumpeln zu lassen.«
    Er hätte gewettet, dass das auch nicht oft passierte. Sie war sowohl emotional als auch körperlich auf der Hut, und beides war gleichermaßen unüberwindlich. »Du warst abgelenkt.«
    »Alles in allem keiner meiner besten Abende.«
    »Du musst nicht immer unbesiegbar sein, Ramsey. Zumindest nicht in meiner Gegenwart. Wenn du dich ab und zu mal verletzlich zeigst, heißt das noch nicht, dass du schwach wärst.« Der Anblick ihrer Verletzlichkeit hatte allerdings ihn schwach gemacht, und er schämte sich nicht, das zuzugeben. Ihm wurde immer noch flau im Magen, wenn er sich vor Augen führte, wie panisch sie geworden war. Es gab ihm nachhaltig zu denken. Und er fühlte sich zwangsläufig als ihr Beschützer.
    Was ihn etwas ratlos machte, denn bis heute Abend hätte er sich niemanden vorstellen können, der weniger schutzbedürftig war als Ramsey Clark.
    Sie nippte in beschaulichem Schweigen an ihrem Kakao. Als sie endlich etwas sagte, sprach sie leise. »Wenn du einmal in der Gewalt von jemandem warst, schwörst du dir, dass das nie wieder passieren wird. Dass du stärker wirst. Klüger. Und dass sich die Geschichte nie wiederholen wird, weil du gewachsen bist und dich verändert hast und nicht mehr dieselbe Person bist.«
    Dev nickte und griff nach ihrem Becher. Er nahm einen großen Schluck und reichte ihn ihr wieder. Ihre Worte hallten tief in ihm wider, dort, wo noch Erinnerungen an ihn selbst als Junge wohnten. Die Idee seines Stiefvaters, ihn boxen zu lehren, war nur ein pseudozivilisierter Vorwand dafür gewesen, ihn halb totzuschlagen, wann immer ihm der Sinn danach stand. Er erinnerte sich noch gut an das lodernde Brennen der Bitterkeit, wenn er mit seinen frischen Blutergüssen auf dem Bett lag. Danach hatte er doppelt so hart trainiert, in jeder freien Minute. Nur um diesen Dreckskerl irgendwann einmal umnieten zu können.
    »Wir haben da so eine Redewendung in Cripolo, Mississippi. Wenn du in der Gosse geboren bist, riechst du, auch wenn du groß wirst, immer noch nach Scheiße. Ich glaube, ich habe den größten Teil meines Lebens damit zugebracht, den Gestank loszuwerden. Ich bin sogar mit siebzehn geflüchtet und habe geheiratet, entschlossen, Cripolo und den Namen Hawkins hinter mir zu lassen.« Sie lächelte selbstironisch. »In unseren drei Monaten Eheglück hat er mir das eine Trommelfell zerrissen, mir die Nase und zwei Rippen gebrochen und mir den Backenzahn rechts oben ausgeschlagen. Als ich Marlin Clark verlassen habe, war ich fest entschlossen, ihn nie wiederzusehen. Aber seinen Nachnamen habe ich behalten, weil selbst der Name eines verlogenen, fremdgehenden, seine Frau prügelnden miesen Drecksacks noch besser war, als Ramsey Hawkins zu sein.« Sie setzte den Becher an die Lippen. »Deshalb ja. Unbesiegbar ist gut.«
    Er antwortete nicht gleich. Konnte nicht. Nicht mit diesem felsblockgroßen Wutkloß im Hals. Er ballte die Hände und löste sie wieder, während er gegen eine archaische Wut ankämpfte, die ebenso unerwartet wie überwältigend war.
    Eine ganze Weile verstrich, ehe er etwas sagen konnte. Seine Stimme klang belegt. »Es kann nicht so schwer rauszukriegen sein, wo sich der Typ zurzeit aufhält.« Er grinste animalisch. »Vielleicht schau ich mal bei ihm vorbei.« Plaudere mit ihm über die alten

Weitere Kostenlose Bücher