Blutnebel
müssten sie ja am Rücken des Betreffenden angebracht sein, damit man sie sieht, wenn er davonläuft.«
Irgendwo seitlich von ihnen krächzte etwas, und Ramsey bekam eine Gänsehaut. Es war kein Sumpf in der Nähe, versicherte sie sich selbst. Und sie waren ein gutes Stück von Ashton’s Pond entfernt.
»Vielleicht ist es Kleidung mit irgendwelchen Reflektorstreifen«, mutmaßte Ramsey. Es war eine Winzigkeit leichter, einen Fuß vor den anderen zu setzen, wenn sie verdrängte, wo sie war. Was sie tat. Sie konnte sich nicht vorstellen, was jemand tragen sollte, das die Lichter verursachte, es sei denn …
»Oder Lichtleitfasern.« Sie zog an Devs Arm, der mit ihrem verschränkt war. Das half ihr, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Und beruhigte ihre Nerven ein wenig, die bereits blank lagen. »Wie diese Weihnachtsbäume mit den verschiedenfarbigen Lichtern, die immer an- und ausgehen. Oder was ist mit diesen neuartigen Sweatshirts, auf denen kleine Glühbirnchen blinken? Wie funktionieren die? Mit Uhrenbatterien oder so was?«
Das Kreischen, das hinter ihnen ertönte, war unmenschlich. Der Laut der Beute, die auf das Raubtier trifft. Und es war so nah, dass Ramsey fast in Devs Arme gesprungen wäre, während ihr wüste Flüche über die Lippen drangen.
»Scheiße, sie sind weg. Verdammt noch mal!« Dev schüttelte wütend den Kopf, während der Zorn aus ihm herausquoll wie Dampf aus einem Kochtopf. »Siehst du sie noch irgendwo?«
Ramsey schüttelte den Kopf und biss erneut die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten. Die einzige Beleuchtung kam von der Stirnlampe an Devs Kappe und ihrer Taschenlampe. Langsam ließ sie deren Lichtstrahl über das Gelände vor ihnen streifen. Einmal. Noch einmal.
Fast hätte sie die rasche Bewegung eines Schattens übersehen, der erneut mit der Finsternis verschmolz. Einen Moment lang verkrampfte sich alles in ihr, während sie gegen Ängste ankämpfte, die schon vor mehr als zehn Jahren ausgelöst worden waren.
»Ezra T., komm da raus.« Dev sprach mit fester Stimme und griff nach Ramseys Taschenlampe. »Ich weiß, dass du es bist. Ich hab die Tierlaute gehört, die du vorhin gemacht hast. Jetzt komm schon. Wir tun dir nichts.«
Ramsey blieb stocksteif stehen, die Glieder gespannt bis zum Anschlag. Sie hatte das Gefühl, in eine Million Stücke zu zerspringen, wenn sie lockerließ.
Langes Schweigen trat ein, bis schließlich eine Stimme sagte: »Bin nicht Ezra T.«
»Doch, bist du. Jetzt komm schon raus. Ich lass mich nicht von dir an der Nase herumführen.«
Selbst in der Dunkelheit erkannte Ramsey den jungen Mann sofort, der nun hinter einem Baumstamm hervortrat und ein bisschen näher kam, ehe er erneut hinter einer dicken Eiche Zuflucht suchte. Falls sie sich nicht irrte, trug er sogar exakt das Gleiche wie beim ersten Mal, als sie ihn hinter dem Haus der Tibbitts erspäht hatte. Sein braunes Haar war strähnig und verfilzt und stand in wirren Büscheln vom Kopf ab. Mit seinen mehrere Tage alten Koteletten wirkte er älter, als er war.
»Du hast nicht gewusst, dass ich es bin.«
»Ich hab dich schon mal gesehen. Du hast mich vor ein paar Tagen am Ashton’s Pond beobachtet, stimmt’s? Deine Vogelschreie klingen wirklich echt.«
»Du bist Stryker. Duane hat mir alles über dich erzählt.« Ramsey spürte den durchdringenden Blick des Mannes in der Dunkelheit auf sich ruhen. »Bist du unartig gewesen, Missy?«
Trotz der kalten Schauer, die ihr noch immer über den Rücken liefen, trat sie einen Schritt vor. Sie wollte mit diesem Mann reden, seit sie zum ersten Mal von ihm gehört hatte. »Ich heiße Ramsey, Ezra T. Du kennst dich hier im Wald ziemlich gut aus, was?«
»Man kriegt Poposex, wenn man unartig war«, plapperte er. Als er auf die andere Seite des Baums wechselte, verschwand er für einen Augenblick außer Sicht. »Echt wahr.«
»Hast du in letzter Zeit irgendwen im Wald gesehen, Ezra T.?« Dev hatte sie hinsichtlich der intellektuellen Fähigkeiten des Mannes vorgewarnt; ebenso Rollins, als sie ihn gefragt hatte, ob er Ezra vernommen habe. Doch selbst ein Kind konnte wertvolle Hinweise geben, wenn man es richtig anstellte.
Der andere Mann kam nicht wieder hervor, doch er streckte einen Finger um den Baumstamm herum nach Dev aus.
»Du hast also Devlin gesehen, als er am Teich war. Hast du noch jemand anderes gesehen, ehe du ihn gesehen hast?«
»Hab die Cops gesehen.« Die Stimme wirkte körperlos und kam regelrecht aus seinem Versteck
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