Blutnebel
überhaupt kein Geld. Ich meine, sie hat gut verdient, als sie hier in Memphis bei der Bank gearbeitet hat, aber sie hat sich vor einiger Zeit ein Reihenhaus gekauft und da ihre ganzen Ersparnisse investiert. Nein, der Laden hier gehört mir allein. Mir und der Bank.«
Sie hatte bereits eine Kopie der Besitzurkunde für den Laden gesehen, die Matthews bei Gericht ausfindig gemacht hatte. Sanders hatte das Gebäude finanziert statt gemietet. Angesichts seines früheren Jobs und der Tatsache, dass er keinerlei Vermögen besaß, musste er bis zum Anschlag verschuldet sein.
»Das kann nicht ganz einfach gewesen sein. Bevor Sie den Laden aufgemacht haben, waren Sie was? Buchhalter? Da müssen Sie ja blendend verdient haben, dass Sie genug ansparen konnten, um davon zu leben, während Sie darauf warteten, dass der Laden hier Gewinne abwirft.«
Ramseys spöttischer Tonfall brachte ihn eindeutig aus dem Konzept, und so wählte er die Worte seiner Antwort genau. »Ich habe natürlich weiterhin für meine Steuerkunden gearbeitet, um mein Einkommen aufzustocken.«
Matthews nickte ihm anerkennend zu. »Darüber gibt es bestimmt steuerliche Unterlagen.«
Sanders’ Blick schoss zwischen Matthews und Ramsey hin und her. »Was läuft hier überhaupt ab?«
»Nur routinemäßige Nachfragen«, antwortete sie, ohne sich um einen aufrichtigen Tonfall zu bemühen. »Matthews ist überzeugt davon, dass Sie ein Ehrenmann sind. Einer von den Guten. Aber ich?« Sie schlenderte zu ihm hinüber, stemmte die Handflächen auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. »Ich bin noch nicht überzeugt.«
»Tja … Mist. Brauche ich einen Anwalt?«
»Das weiß ich nicht. Wissen Sie’s?«
Sanders’ Augen weiteten sich. »Ich habe nichts getan!«
»Warum sollten Sie dann einen Anwalt brauchen?«
»Kommen Sie, Clark, lassen Sie ihn in Ruhe.« Ramsey war sich fast sicher, dass Matthews’ Worte Teil der Strategie waren. »Er ist doch die ganze Zeit völlig kooperativ gewesen.«
»Kooperativ?« Sie warf Sanders einen scharfen Blick zu.
»Ja, total.« Sanders wies auf den Beamten. »Ich habe jede Frage beantwortet, die mir Agent Matthews gestellt hat.«
»Ja, schon, das Problem ist bloß, dass Sie bei der Beantwortung seiner Fragen gelogen haben.« Ramsey schlug mit den Händen auf den Tisch. »Das sieht für mich nicht nach Kooperation aus. Das sieht für mich nach jemandem aus, der etwas zu verbergen hat.«
»Das ist Unsinn!«
Ja, die Angst war nun voll erblüht, wie Ramsey mit einer gewissen Genugtuung feststellte. Unter seinem einen Auge zuckte ein Muskel, und sein an Barbies Freund Ken erinnerndes perfektes Auftreten hatte schwer gelitten.
»Ah, dann haben Sie Agent Matthews also nicht erzählt, dass Sie seit der Trennung nicht mehr mit Cassie gesprochen hätten?«
»Ich …« Mit gehetzter Miene warf Sanders dem TBI-Mann einen Blick zu, ehe er wieder Ramsey ansah. »Ich habe nicht gemeint, überhaupt nicht mehr.«
»Ah, dann hat Sie Matthews also missverstanden? Er hat extra gefragt, und ich zitiere: ›Können Sie mir sagen, wann Sie zum letzten Mal in irgendeiner Form Kontakt zu Cassie Frost hatten?‹ Und Sie haben geantwortet – ich zitiere weiter –: ›Das war an dem Abend, an dem wir unsere Verlobung aufgelöst haben, am Mittwoch, den achten März letzten Jahres, als wir …‹«
Sanders unterbrach sie beim Vorlesen seiner Aussage. »Okay, ich gebe zu, dass ich da nicht ganz ehrlich war.«
Matthews mimte einen derart schockierten Blick, dass Ramsey in seinem tiefsten Innern einen verhinderten Schauspieler vermutete. »Quinn, wollen Sie also jetzt erklären, dass Sie nach Ihrer Trennung doch noch Kontakt zum Mordopfer hatten?«
»Das ist kompliziert.« Der Mann fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Okay, ich hab ein paarmal mit ihr gesprochen. Was ist schon groß dabei? Gesehen hab ich sie jedenfalls nicht mehr, seit sie von hier weggezogen ist. Es gab noch ein paar Dinge zu klären, zum Beispiel wegen ein paar Sachen, die ich noch in ihrem Haus hatte. Eine Krawatte, die ich vermisst habe. So Zeug eben.«
Ramsey fasste in ihre innere Jackentasche und zückte ein Blatt mit den Verbindungsdaten von Cassies Mobiltelefon. »Tja, dann zählen wir mal die Anrufe. Zwischen dem achten März und der Woche vor ihrem Tod komme ich auf …« Sie tat so, als rechnete sie, dabei wusste sie die genaue Anzahl auswendig. »Siebenunddreißig. Über drei Dutzend Mal mussten Sie also mit Cassie über ›so Zeug‹ reden.« Sie
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