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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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Ich bin nicht lesbisch, aber ich verliebte mich.
    Sie war groß, ich klein, sie dunkel und ich hell, und sie war in sich gefestigt, wo ich ruhelos war. Sie nahm keine Drogen und mochte mich besonders gern. Frazier war die alte Dame unter uns. Sie war 26 Jahre alt und hatte einen sechsjährigen Sohn, auf den ihre Mutter aufpaßte, während sie arbeitete. Ich beobachtete Frazier wie eine Studentin ihren Dozenten. Nicht in hundert Jahren käme ich dem gleich, der Konzentration in ihrem Gesicht, wenn sie tanzte. Ich konnte sehen, wie der Schweiß an ihrem Ohr herablief, wenn ich im Seitengang stand. Für mich sah er aus wie Diamanten. Sie tanzte einen Flamenco, während sie einen glänzenden schwarzen Hut trug und glatte Hosen, die man wegreißen konnte. Ihren Büstenhalter zog sie schon ziemlich am Anfang des Tanzes aus. Ihre Brüste waren klein und nach einiger Zeit vergaß man, daß sie oben nichts an hatte. Auch das Publikum vergaß es, was man am Applaus merkte und den Bemerkungen, die anders waren, respektvoller, und mindestens einer stand immer auf und klatschte.
    Frazier war lieb zu mir. Sie nahm mich mehrere Male mit zu ihr nach Hause und gab mir Kleider von sich. Wir ließen ihren kleinen Jungen auf dem Esel reiten. Er weinte. Ich gab ihm Geld, um Kinderroulette zu spielen. Dann war er glücklich. Frazier gab mir auch Unterricht. Sie sagte, was wir täten wäre für eine Zeit okay, aber ich müßte das College besuchen. »Hör’ nur auf mich«, sagte sie, »und es wird dir nicht leid tun.«
    Das letzte Mal, als ich Frazier Baldwin sah, winkte sie mir am zweiten Tag meiner neuen Show zu als sie durch die Tür ging. Sie hatte mir auch dabei geholfen und beim ersten Mal zugeschaut und hatte mir dann gesagt, was ich anders machen sollte. Sie gab mir das Spielzeuggewehr ihres Sohnes, des Sohnes mit einem sauren Gesichtsausdruck. Sie nahm ihn mit nach Houston, um dort in einem Tanzensemble zu arbeiten. »Der Hut bleibt ins Gesicht gezogen«, sagte sie. Ich sagte ja. Sie sagte: »Vergiß nicht, was ich dir sonst noch gesagt habe. Spar’ dein Geld und geh’ aufs College.« Ich versprach ihr das nie.
    Ich änderte meinen Namen in »Smokey Shannon« und dann kurz in »Smokey«. Cip hängte ein großes Foto von mir ins Fenster über die Geranien. Die Zeit stellt schon komische Dinge mit einem an. Ich glaube, daß Menschen ihr Leben lang ziemlich gleich sind. Aber in mir stecken so viele Ichs, daß ich eine Akte anlegen könnte. Mein dritter Auftritt jeden Abend war folgender:
    Auf der Mitte der Bühne gab es eine flache, weiße Leinwand zwischen teilweise zugezogenen Vorhängen. Ich war als Silhouette dahinter zu sehen, mit Trench-Coat und weichem Filzhut. Meine Haare waren darunter verstaut und eine Zigarette hing aus meinem Mund. Ciprianos Neffe, ein Junge von fünfzehn Jahren, der Buddy hieß, sorgte für Rauch. Dann zog er die Leinwand hoch und die Vorhänge zur Seite, während hinter uns Santana »Evil Ways« spielte.
    Ich kam hervor mit gesenktem Kopf, der Hutkrempe auf meiner Nase und meinen Händen am Gewehrlauf, der zwischen meinen Beinen steckte. Das Gewehr diente als Drehpunkt während ich tanzte und damit spielte, so daß man gleich wußte, was ich andeuten wollte, bis Buddy als Kopie von Rudolph Valentino auf die Bühne kam und Fraziers Hut und eine verzierte Weste trug und ich ihm das Gewehr übergab. Dann lief er von der Bühne und legte die Platte »The Game of Love« auf, damit jeder sehen konnte, was die Absicht eines Mannes und einer Frau waren. Dann fiel der Trenchcoat.
    Der Büstenhalter war schwarz, das Strumpfband auch. Der Büstenhalter fiel auch, aber die Handschuhe, die mit Straßsteinen verziert waren, blieben an. Ich trug einen grauen Lederrock, den ich in Mexiko an einem ganz schlimmen Wochenende mit einer anderen Tänzerin und ihrem Freund gekauft hatte, und darüber trug ich einen Gürtel mit silbernen Patronen. Kurze Zeit später war es soweit, den Rock fallen zu lassen. Er rutschte über hohe graue Stiefel, die ich selber mit Pailletten versehen hatte. Darunter trug ich einen G-String mit Pailletten und oben nur den Hut und die Handschuhe. Während man Handschuhe abstreift, kann man alles mögliche machen.
    »Der Hut bleibt auf. Der Hut bleibt unten. Mach’ es so«, hatte Frazier gesagt. Das mit dem Hut klappte gut und hielt mir das Bühnenlicht aus den Augen. Fünf Jahre später kam Randy Newman mit dem Lied »You can leave your hat on« heraus, und ich grinste als ich hörte, wie der

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