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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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Brüsten gerieben hatte, so dachte ich, dann würde ich in ihre Poren übergehen und die Osmose wäre perfekt. Dann käme ich wieder heraus und wir wären beide klüger; dann suchte ich einen, den ich ganz schlucken konnte.
    In dem Badezimmer war es lange still. Ich sagte: »Du kannst dich verstecken, aber du kannst nicht weglaufen, Cipriano. Ich zähle jetzt bis fünf.«
    »Wer ist da?« Seine Stimme war jetzt sehr laut.
    »Es ist entweder ein Prämienjäger oder Marlene Dietrich. Du mußt das schon selber beurteilen.«
    Stille.
    »Nein — es ist Rita Hayworth. Rita Hayworth.« Ich erinnerte mich, daß das seine Lieblingsschauspielerin war.
    Man hörte wieder Wasser laufen und dann Rohre knacken. »Irgendwoher kenne ich diese Stimme.« Lange bevor man ihn sah, rappelte es an der Türklinge. Ich stand mit überkreuzten Armen an der Wand gelehnt, mit einem Fuß über dem anderen. Würde er mich erkennen? Meine Haare waren jetzt kurz, nicht mehr rot, und es war 15 Jahre her. In der Zeit hatte er sicher viele Mädchen eingestellt und gefeuert, umsorgt und beschützt. Wenn ich diesen Moment hätte planen können, dann hätte ich mir etwas besseres angezogen, etwas weiblicheres, einen Rock zumindest. Ich hätte vielleicht eine Pflanze mitgebracht oder besser noch eine Flasche und die letzte Ausgabe des Playboy.
    Er kam heraus. Er war älter, mein Gott, und kleiner, trug graue Hosen und ein graukariertes Hemd. An den Füßen trug er braune Pantoffeln. Und eine Brille. Seine Stirn hatte braune und lila Flecken.
    Er sah mich scharf an, als ich sagte: »Hallo, du großer Typ, ich brauche etwas Hilfe.«
    »Smokey, was zum Teufel machst du denn hier?« Und dann kam er herangeschlurft und umarmte mich fest. Ich fühlte, wie knochig er war und wie gebeugt für einen Mann, der einen Kopf größer war als ich. Er klopfte mir den Rücken aber nur mit den Handflächen, als ob er nicht genau wüßte, ob das alles so okay war. Dann gingen wir auseinander und als wir zu seiner Seite des Raumes gingen, sagte ich: »Was zum Teufel machst du denn hier, Cipriano. Du gehörst hier nicht hin.«
    Er setzte sich auf den Bettenrand und bot mir den Stuhl an. »Mit mir ist nichts in Unordnung, was ein wenig menschliche Nähe nicht in Ordnung bringen könnte. Damit meine ich nicht dich.« Er sagte mir, daß er Venenentzündungen hätte und Brüche im rechten Mittelfuß. Die Fußverletzung hatte er von einer dicken Frau, die ihm bei einem Ball der Kriegsveteranen auf den Fuß getreten war. Er sagte mir, er würde zwar seine Schwester nicht mögen, aber ihre Art zu kochen, und deshalb käme er manchmal hierhin, um sich auszuruhen oder irgendeine Krankheit auszukurieren. Wenn er es dann hier nicht mehr aushielte, dann ging er wieder zu seiner Schwester zurück.
    »Warum lebst du denn nicht alleine?« Ich wollte etwas über seine Frau und seine Tochter erfahren. An manchen Orten, und nicht nur in Neu England, fragt man nicht direkt das, was man wissen möchte, sondern man fragt durch die Blume.
    »Ach«, sagte er und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist nicht schön. Dann hört man, wie die eigene Stimme widerhallt. Nein, das ist nichts für mich.« Ein gewisser Blick kam in seine Augen. »Jetzt, wo du da bist, werde ich bei dir leben.«
    Eine Stimme hinter uns sagte, »Sein Name ist...«
    Ich drehte mich um. Mr. Neff wollte mir den Namen seines Stofftieres sagen. Seine langen Spinnenfinger lagen auf dem Kopf des Hundes. Als Cip und ich uns zu ihm gedreht hatten, vergaß er, was er sagen wollte und nahm wieder den verwirrten Gesichtsausdruck an. Ich sagte: »Wie ist er? Der Name Ihres Hundes? Er ist sehr schön.« Aber Mr. Neff war sehr weit weg. Seine Augen folgten meinem Gesicht als ich zu ihm ging, dem Hund den Kopf tätschelte und sagte: »Ja. Sie haben einen sehr schönen Hund.« Dann ging ich wieder zu meinem Stuhl.
    »Davon kann man nur eine bestimmte Menge am Tag verkraften«, sagte Cipriano.
    Cip konnte laufen, aber er sagte, er nähme besser den Rollstuhl. Ich schob ihn zum Gemeinschaftsraum, wo ein riesiger Fernseher in der Ecke stand. Fünf Rollstühle standen nebeneinander davor, in allen saßen Frauen. An den Klapptischen saßen andere Männer und Frauen und zogen an den Decken auf ihrem Schoß. Einige hatten ihren Kopf auf den Tisch gelegt und schliefen mit offenem Mund. Andere standen aufgereiht an der Wand beim Fenster mit zurückgelegtem Kopf und offenem Mund. Ich sagte: »Cipriano, das hier kann doch nicht gut für dich

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