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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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Sie mich zu einem Kaffee ein.«
    Ich ließ Lionel Crowell irgendwann stehen, zeigte ihm den Weg nach Hause, so wie man einen Betrunkenen leitet und schwor mir, Rowena Dwyer so bald wie möglich anzurufen, um ihr zu sagen, sie solle sich Privatdetektive nicht aus dem Telefonbuch auswählen. Er wollte nichts böses. Er war Geschichtslehrer, den seine Frau verlassen hatte, und daher wollte er diesen Beruf ausprobieren. Auf dem Weg aus dem Casino, zu dem wir gegangen waren, steckte er drei Quartier in eine Maschine und gewann vierhundert Dollar, wie soll ich also über Personen urteilen können?
     

Cipriano war im Bad, als ich kam. Das Namensschild draußen sagte mir, daß es die richtige Tür war: CIPRIANO RYCKEN und STEVEN NEFF. Steven Neff war der alte Mann im Rollstuhl, der in braun gekleidet war und neben dem perfekt gemachten Bett, mit der Wolldecke mit weißen Pferden auf blauem Hintergrund, saß. Parallel zu diesem Bett stand ein anderes Bett mit grüner Decke und ein leerer Rollstuhl daneben. Auf dem Tisch lagen drei Packen Spielkarten auf Zeitschriften.
    »Entschuldigung«, sagte ich zu dem Mann. Er schaute durch den Raum aus der Glastür und auf die Veranda. Ein durcheinandergebrachtes Würfelspiel lag auf seinem Schoß. Einen Moment später schaute er mich intensiv an. Ich lächelte und sagte: »Ich suche Cipriano Rycken.«
    Dann sah ich, daß der alte Mann einen kleinen lilafarbenen Stoffhund im Arm hielt. Mr. Neffs blaue Augen und die schwarzen des Hundes waren auf mich gerichtet, aber es kam keine Antwort. Plötzlich, als ob ein Zauber gebrochen war, wechselte Mr. Neffs Gesichtsausdruck, und ich versuchte es noch einmal. »Ist das Ihr Hund?«
    »Ja«, flüsterte er langsam.
    »Er ist ein schöner Hund.«
    Der Kopf des Mannes beugte sich zu dem Hund herab.
    »Ja«, sagte er wieder. »Ich werde hier warten, okay? Auf Ihren Zimmernachbarn.« Ich lachte so freundlich, wie ich konnte und ging der gelbhäutigen Afro-Amerikanerin aus dem Weg, die hereinkam, um die Papierkörbe zu leeren. Als sie sich mit einer Hand auf die Hüfte aufrichtete, sah sie nach draußen, wo rosafarbene Rosen nahe an die Glastür stießen und dabei wie Kelche auf Stielen aussahen. »Mensch, sind die nicht wunderschön?« sagte sie. »es sieht so aus, als ob wir endlich Regen bekämen. Das wäre schön, nicht wahr?« Mit dem Papierkorb in der Hand, drehte sie sich zu dem Patienten um und fragte: »Wie geht es Ihnen heute, Mr. Neff? Ist alles in Ordnung?« Der alte Mann schaute weg, zu den Rosen, mit einem verzweifelten und einsamen, vielleicht aber auch nur verwirrten Gesichtsausdruck, als ob er versuchte, sich an den Namen der Blumen zu erinnern.
    Sie ging, und ich ging zur Badezimmertür und sagte: »Cipriano?«
    Ich hörte ein dumpfes: »Ja?«
    »Komm’ raus oder ich komme rein.«
    In meiner Vorstellung war Cipriano immer noch in den Vierzigern, schlank, mit vollem schwarzen Haar und Brusthaaren, die aus seinem Hemd hervorguckten. Er hatte fast alle Attribute gut auszusehen, aber er war es dennoch nicht, obgleich ich nicht mehr wußte, warum. Trotz dieses Mankos hatte er etwas Weltmännisches an sich, das ich anziehend fand. Ich hatte ihn mit anzüglichen Bemerkungen aufgezogen, und das gleiche hatte er mit mir getan, obwohl ich sicher war, daß er seine Frau nie betrogen hätte, und das hätte ich auch nicht gewollt. Dieses Opfer meinerseits war weder so nobel, wie es sich anhört, noch wußte ich, was eine Ehe bedeutete. Ich wollte nur einen Mann in seinem Leben nicht stören, der gut zu mir gewesen war. Es gab Tage, an denen hätte er nur mit dem Finger zu schnippen brauchen. Das war die Zeit, in der mein Körper von mir getrennt war und seinen eigenen Willen gehabt hatte.
    Mein Kopf kümmerte sich um andere Dinge und mein Körper sagte: »Küß mich du Idiot. Ich liebte Männer und ich liebte, was sie zu bieten hatten; nichts Materielles, sondern ihre eigene, solide, besondere und zielbewußte Energie. Meine Sehnsüchte unterschieden sich nicht so sehr von denen anderer Menschen mit Tatkraft: ein tiefer Schluck aus der Flasche des anderen Geschlechts, und das nicht nur mit einer Geschmacksrichtung. Ich wollte jeden Mann mindestens einmal besitzen und andere mehrmals und es war mir egal, wie sie aussahen, Hauptsache, sie waren nett. Ich wollte ihre Geheimnisse, alles was sie wußten und ich nicht wußte. Ihre besondere Aufmerksamkeit für die Welt, ihre Privilegien, ihre besondere Sprache. Wenn ich mich lange genug an behaarten

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