Blutorangen
gibt heute viele davon.«
»Ich mochte Bullen nie sehr gerne«, sagte er und schaute aus dem Fenster. Wir sprachen jetzt sehr gesittet, wie es Menschen tun, wenn sie sich kennenlernen wollen oder wie verheiratete Leute, wenn sie eine ernsthafte Unterredung führen und versuchen, nicht ausfallend zu werden.
»Ich wußte das nicht, Cip. Wahrscheinlich hätte ich es aber wissen sollen.«
Er nickte langsam. Er fragte: »Du konntest aber nicht dabeibleiben, hm?«
Er beugte sich nach vorne, um mit seinem Rollstuhl an den Tisch zu fahren, wo Wasser stand. Er füllte etwas in einen Plastikbecher und hob ihn dann, um mir davon anzubieten.
»Du hast uns immer gesagt, daß wir nicht bei der Arbeit trinken sollen.«
»Du bezeichnest das also als Job? Ich bin noch nicht tot.«
Ich schaute ihn an und sagte mit einem Schütteln des Kopfes, natürlich nicht, und fügte hinzu: »Du hast also nie von diesem Motel gehört? Dem »Beaver Tail«?«
»Glaubst du, daß Frauen in den Krieg ziehen sollten?«
»Cip, beantwortest du jetzt meine Frage oder nicht?«
»Ja, ich habe davon gehört.« Dann sagte er es mir. Er kannte den Besitzer. Ralph Polk. Das Motel brannte vor ein paar Jahren ab. »Er ist jetzt in Overton. Er machte Fliegen für Fischer. Wenn Leute seine Fliegen kauften, dann kamen sie mit Fisch in den Schuhen nach Hause. Ich kaufte eine von ihm, die er Miss Piggy nannte, die rief alle Fische zum Abendessen. Dann bekam er diese verrückte Idee, daß er auf der anderen Seite des Sees Öl finden würde. Er wollte, daß ich mit ihm nach Texas gehe, um eine Ausrüstungzubesorgen. Ich schickte ihn nicht in die Wüste, sagte aber nein. Er sagte: >Du würdest dein Glück nicht erkennen, wenn es vor dir niederkniet und dich anfleht.< >Bring mir das Glück, das wie Öl aussieht und ich lecke es bis zum Knochen sauber<, sagte ich. >Bis dahin, laß’ mich bitte in Ruhe.<«
Ich wartete auf das Lachen, aber sein Gesichtsausdruck sah anders aus. »Cipriano?«
Er saß jetzt mit dem Stuhl nach außen gedreht, zur Tür, die zum Eingang führte. Dort hatte ein Postbote Schwierigkeiten mit irgendeinem Paket, das er anlieferte. Über den Gang, in der Türschwelle, die in einen anderen Gang führte, versuchte Mr. Neff gerade, in den Fernsehraum zu rollen, aber sein Stuhl war mit dem einer anderen Frau in leuchtrotem Jogginganzug zusammengestoßen, die auch hinein wollte. Sie versuchte den Fernseher zu übertönen und wiederholte ständig: »Warten Sie nur, warten Sie nur.« Ich stand auf, um zu helfen, als Cipriano mich zurückrief: »Die kriegen das schon hin«, sagte er. »Wir haben hier immer Verkehrsstaus.« Und so war es auch.
Er fühlte, wie ich ihn ansah. Als ich mich umdrehte, fragte ich freundlich, hoffe ich: »Wie alt bist du, Cipriano?«
»Zweiundsiebzig.«
»Das heißt, daß du schon ziemlich alt warst, als ich dich damals kennenlernte?«
»In der Tat.«
»Du hättest mich aber verkohlen können.« Ich beugte mich zu ihm und gab ihm einen Kuß auf einen seiner braunen Flecke, der so groß war wie ein Fingerabdruck und sagte ihm, daß ich ihn auf dem Weg zurück nochmal besuchte, wahrscheinlich morgen. Ich fragte ihn, wie ich Ralph Polk in Overton fände.
»Die Stadt ist nicht so groß«, sagte er. »Frag mal im Haushaltswarenladen.«
Als ich ging, fragte er: »Was wolltest du mich noch fragen? Vorher.«
Er hatte einen scharfen Verstand. Er war nicht mehr genau der Mann, den ich in Erinnerung hatte, aber er hatte Augen im Kopf und vielleicht mehr Herz, als ich ihm zubilligen wollte.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich und dann sah ich mir die zerlumpten Figuren an und sagte: »Ich weiß es doch.« Ich ging zurück und stand vor ihm, aber nicht so nahe, daß er an mir hochschauen mußte, da ich es nicht mochte, zu großen Menschen hinaufzuschauen. Ich fragte ihn, und die Frage überraschte mich fast genauso wie ihn: »Was macht dich im Leben glücklich, Cipriano?«
»Mich?« Er rollte vorwärts und ich ging mit. Als wir halb durch die breite Tür in der Nähe der Krankenschwesternstation waren, wo sich einige Frauen in weißen Uniformen versammelt hatten, um zu sehen, was in dem Paket war, hielt er an, um mir eine echte Antwort zu geben.
»Ein guter Schuß JB- Whiskey,« sagte er, »und Ethel M- Schokolade, am besten gleichzeitig.« Er schaute mich an, als ob das Gottes Wahrheit wäre und sagte dann, »Und jetzt guck’ ich mal, welche von diesen Ladies mir das geben wird.« Und dann zwinkerte er und sagte, »Vergiß
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