Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
nichts mit dieser Frage anzufangen wüsste. »Dieselbe stinkende Angelegenheit wie immer«, antwortete er knapp. »Nur die Lindwürmer setzen uns von Mal zu Mal stärker zu.«
Ruhelos langte er erneut nach dem Weinschlauch, hängte ihn aber wieder zurück, bevor es jäh aus ihm herausplatzte: »Es gibt etwas, dass du wissen solltest, Urok. Dein Vater und ich, wir kämpften einst Seite an Seite, als Grimmsteins Mauern fielen. Ich gehörte auch zu jenen Scharen, die vor Sangor standen. Glaub mir, ich kannte Ramok. Und ich weiß jetzt, dass in dir das gleiche rastlose Blut wie in seinen Adern pocht.«
Urok wusste nicht recht, was er von diesen lallend vorgetragenen Worten halten sollte. Sicher, Torg hatte an denselben Feldzügen wie sein Vater teilgenommen, doch nicht in den Reihen der Ranar, sondern als Erster Streiter einer Vendur-Schar. An all den langen Winterabenden, die er mit Ramok am prasselnden Herdfeuer verbracht hatte, war Torgs Name in keiner besonderen oder gar vertraulichen Weise gefallen.
Wohl über den eigenen Redeschwall erschrocken, hielt das Moorauge abrupt inne und verfiel in angestrengtes Schweigen. Seine grüne Zunge fuhr ihm mehrmals über die rauen Lippen. Plötzlich hielt er doch den beinahe geleerten Weinschlauch in der Hand und ließ den kläglichen noch darin verbliebenen Rest in einem langen Strahl in seinen offenen Mund schießen, bevor er sich so weit zu Urok herüberbeugte, dass er die Ruderpinne mit sich zog.
»Eine zweite Feuerhand, das hat etwas zu bedeuten!«, raunte er, bevor er den Kurs korrigieren musste. Das Rauschen einiger Stromschnellen zwang ihn, die Stimme zu heben, als er fortfuhr: »Blut lässt sich auf Dauer nicht stauen, Urok. Mag eine Wunde auch noch so groß sein, das Blut muss strömen, selbst wenn es schmerzt.«
Gischt spritzte zu ihnen herein. Die eine oder andere Silbe wurde nicht nur vom Lallen, sondern auch vom lauten Klatschen der Wellen verschluckt, aber das war nicht der Grund, warum Urok kein einziges Wort von dem verstand, was der Greis da erzählte.
»Wie meinst du das?«, rief er verwirrt. »Was …«
»Das Blut!«, unterbrach Torg ungehalten. Er musste sich seine Worte mühsam zurechtgelegt haben, sonst hätte er nicht so rücksichtslos darauf bestanden, sie loszuwerden. »Wenn wir es nicht fließen lassen, bahnt es sich seinen eigenen Weg!«
In Uroks Ohren klang das Ganze ein wenig irre. Und es verbesserte seine Einschätzung keineswegs, dass Torg plötzlich sein ganzes Gewicht gegen die Ruderpinne warf, um das Boot in einer abrupten Wendung ans Ufer zu steuern. Schilfrohr zerbrach knackend unter dem flachen Rumpf, als er den verlandeten Bereich einer Flussbiegung erreichte.
»Hier ist die optimale Stelle, wenn du zum Felsnest willst«, rief er, einen gehetzten Ausdruck im Blick.
Urok war nicht der Einzige, der irritiert reagierte. Auch die übrige Besatzung starrte Torg aus vor Überraschung geweiteten Augen an. Eigentlich lag der kürzeste Weg zwischen Ufer und Hochebene noch ein Stück weiter flussabwärts, das war allen bekannt. Doch das Wort des Steuermannes hatte das größte Gewicht. Hätte sich Urok nicht erhoben, hätte er damit die ihm erwiesene Gastfreundschaft mit Füßen getreten. Also sprang er behände über die Bordwand und versank bis zu den Waden in der kalten Strömung.
Wie von einer Bogensehne abgeschossen, schnellte das Boot von ihm fort, wieder zurück zur Flussmitte, den reißenden Amer hinab. Torg sah noch einmal über die Schulter und hob die freie Hand zum Abschiedsgruß.
»Es gibt Krieger, die behaupten, auch Ramok wäre eine Feuerhand gewesen!« Die letzten Worte wurden beinahe vom Wind fortgerissen, hallten aber gerade noch laut genug über den Fluss, um sie eindeutig zu verstehen.
Reflexartig machte Urok einen Schritt nach vorn. Alles in ihm schrie danach, dem Boot hinterherzustürzen und Torg von der Heckbank zu ziehen, um ihn am Hals zu packen und so lange zu schütteln, bis er ausspuckte, was diese Bemerkung zu bedeuten hatte. Doch das Boot war schon längst zu weit fort und die Strömung viel zu stark, um es noch irgendwie erreichen zu können.
Das Letzte, was Urok noch an Bord sah, bevor die Besatzung aus seinem Blickfeld verschwand, war der kleine Narg, der bedauernd die Schultern hob, als wollte er sagen: So ist Torg nun mal, das macht er immer so.
19
E in Hauch von beginnender Verwesung verpestete die Luft, seit sich die ersten Felsmassive über das grüne Dach des Waldes erhoben. Urok hätte sich
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