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Blutrot

Titel: Blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Durchsuchungsbefehl ausstellt, um die Browning sicherzustellen - die McCormack vielleicht längst entsorgt hat, da du ja so freundlich warst, ihn zu warnen - und sie anschließend ballistisch zu untersuchen, um das Gewehr der Patrone zuzuordnen. Du willst, dass der Staatsanwalt den Jungen vorlädt, Anklage gegen ihn erhebt und ein Verfahren einleitet. So viel Zeit, so viel Arbeit und so viele Kosten für einen alten Hund, den du längst begraben hast.«
    Ludlow beobachtete, wie sein Freund unbehaglich auf dem Stuhl herumrutschte. Nicht zum ersten Mal dachte er, dass Sam dringend ein bisschen Gewicht loswerden müsse. Und dass sein Unbehagen nicht allein von ihrem Gesprächsthema herrührte. Berry war ein groß gewachsener, kräftiger Mann, aber seit dem
Unfall bekam er viel weniger Bewegung. Er verlor Muskelmasse und setzte Fett an. In Moody Point waren nicht mehr viele Freunde von Ludlow am Leben. Er wollte Sam nicht durch einen Herzinfarkt oder Schlaganfall verlieren. Aber es war nicht üblich, dass sie gemeinsam über solche Dinge redeten.
    »Hör zu«, sagte der Anwalt. »Ich wünschte, ich könnte sagen, es wäre ein Kinderspiel, aber das ist es nicht. Trotzdem werde ich im Büro des Sheriffs anrufen und Tom Bridgewater deine Anzeige melden. Er wird sie ans Büro des Staatsanwalts weiterleiten. Ich hoffe, die Sache hat ein bisschen mehr Gewicht, wenn die Meldung von mir kommt. Tom wird dich entweder anrufen oder bei dir vorbeischauen. Und du gehst jetzt am besten nach Hause und ruhst dich aus. Ich strecke in der Zwischenzeit mal die Fühler aus und schaue, was ich über McCormack und seine Familie in Erfahrung bringen kann. Ach, verdammt. Ich weiß zwar nicht, ob es hilfreich ist, aber warum nicht: Du sagst, sie hätten einen dritten Jungen erwähnt, richtig?«
    »Ja. Einen Typ namens Pete.«
    »Und du glaubst, das könnte der Dritte gewesen sein?«
    »Sie sagen, sie wären den ganzen Tag mit ihm zusammen gewesen und nach Plymouth gefahren. Was sich ja überprüfen lässt.«
    »Schön. Also Pete.« Er notierte den Namen.
    »Danke, Sam.«

    »Du kannst mir danken, wenn wir etwas auf die Beine gestellt haben.« Über den Schreibtisch hinweg sah er Ludlow einen Moment lang forschend an. »Hast du in letzter Zeit mal mit Alice telefoniert?«
    »Zu Weihnachten, glaub ich.«
    »Du solltest sie mal anrufen. Wie viele Töchter hast du denn, wenn du verstehst, was ich meine?«
    Sams einziger Sohn war bei der Geburt gestorben. Seine Frau war jetzt seit zwanzig Jahren tot. Er lebte allein.
    »Red war früher auch ihr Hund, oder?«, fragte er.
    »Stimmt.«
    »Na, dann ruf sie an.«
    Ludlow stand auf, und sie gaben sich die Hand.
    »Könnte sein, dass du ihn noch mal ausgraben musst«, sagte der Anwalt. »Falls tatsächlich ein Verfahren zustande kommt.«
    »Ich werde tun, was ich tun muss«, sagte Ludlow.
    »Daran hab ich keinen Zweifel«, sagte Sam.

6
    Als er durch die Vordertür ins Haus hineinging, schlug ihm aus dem Kamin der vertraute Geruch von verbranntem Holz entgegen, der aus dem Sofa und den Sesseln nicht mehr herausging. Sein Blick streifte das Telefon auf dem Beistelltisch. Ja, er würde sie anrufen, aber nicht jetzt.
    Das Zimmer war ohnehin schon klein, aber mit dem schweren Sofa, den beiden voluminösen Polstersesseln und dem selbst gebauten Bücherregal an der Wand hatte er den Raum dermaßen vollgestellt, dass er nun eher wie ein Lese- als wie ein Wohnzimmer wirkte. Es gab keinen Fernseher - als er kaputtgegangen war, hatte Ludlow keine Lust gehabt, einen neuen zu kaufen -, nur ein Radio, das neben dem Telefon stand. Er überlegte, ob er es einschalten sollte, ging dann aber in die Küche.
    Im Kühlschrank lagen noch die Reste des Brathuhns, das er und Red zwei Abende zuvor nicht ganz aufgegessen hatten. Er nahm es heraus, legte es auf einen Teller, setzte sich an den Tisch und begann,
mit den Fingern zu essen. In der Küche herrschte vollkommene Stille. Er hörte, wie er das kalte feuchte Hühnerfleisch abriss und an den Gelenken die Sehnen durchbrach. Er hörte, wie er sich die Finger ableckte.
    Als er fertig war, warf er die Knochen weg und ging zur Spüle, um das Frühstücksgeschirr und den fettigen Hühnerteller abzuwaschen. Am Fenster sammelten sich in der Abenddämmerung schon die ersten Motten, die vom Licht angezogen wurden. Wenn es dann richtig dunkel war, würden sie in ihrer unerklärlichen Gier nach Helligkeit die ganze Scheibe bedecken. Flügel an Flügel, dicht aneinandergedrängt, die

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