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Blutrot

Titel: Blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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flaumigen Bäuche gegen das kühle Glas gepresst. Die Nachzügler würden wie Wahnsinnige vor dem Fenster herumflattern, ganz im Stile von Fledermäusen. In der Stille der Küche hörte er ihnen manchmal zu. Dann dachte er an seine Frau, die Zeit vor ihrem Kater Adam und der Renovierung, als sie auf dem Dachboden noch echte Fledermäuse gehört hatten. An solchen Abenden erschien ihm Mary wie ein Schatten, der plötzlich auf ihn fiel, nur um ihn und Red gleich darauf abermals zu verlassen.
    Um acht rief er Tom Bridgewater an. Ludlow erzählte ihm alles genau so, wie er es zuvor auch Sam Berry berichtet hatte.
    Tom hörte ihm zu, dann sagte er seufzend: Grundgütiger. Diese verdammten Gören. Glauben, sie kämen mit allem davon, und das Schlimmste ist: In der
Hälfte der Fälle gelingt es ihnen auch noch. Ludlow wusste, dass auch Tom zwei Söhne im Teenageralter hatte, die sogar als Söhne des Sheriffs schon einige Male unangenehm aufgefallen waren. Einmal hatten sie aus D. L. Fleurys Laden Playboy- und Penthouse -Hefte mitgehen lassen, ein anderes Mal waren sie morgens um zwei mit einem Freund sturztrunken durch die Gegend gefahren und hatten die halbe Stadt aufgeweckt.
    Tom meinte, er solle die Patronenhülse gut aufbewahren. Er würde morgen früh gleich das Büro des Staatsanwalts anrufen und sehen, was sich machen ließe.
    Ludlow legte auf und hatte das Gefühl, dass auch Tom, genau wie Sam, grundsätzlich auf seiner Seite stand, sich aber ebenfalls nicht sicher war, ob die Behörden etwas unternehmen würden.
    Er holte ein Bier aus dem Kühlschrank und trank es am Tisch aus, holte ein zweites, setzte sich wieder hin und lauschte den abendlichen Geräuschen und der Sommerbrise hinter ihm am Fenster. Er schlief am Tisch ein, den Kopf auf den Handrücken gebettet. Träumte, dass seine Tochter Alice wieder ein kleines Mädchen sei und auf der Schaukel säße, die früher an der Eiche gehangen hatte, neben der er nun Red begraben hatte.
    Unten am Hang konnte er zwei Jungen erkennen, der eine war ungefähr elf, der andere ein ganzes Ende älter. Sie standen im Schatten und wandten ihm den
Rücken zu, aber er erkannte sie trotzdem. Tiefe Traurigkeit überkam ihn, während er sie dort stehen sah. Er ging auf Alice zu und rief sie zum Abendessen ins Haus, aber sie schüttelte den Kopf. Nein, noch nicht, sagte sie und blickte zu den schattenhaften Gestalten am Hang zurück.
    Die Toten kehren vor uns heim, sagte sie. Aber wir müssen noch vieles erledigen.
    Plötzlich schreckte er aus dem Schlaf hoch. Das Erste, was er bemerkte, war der aufgescheuchte Mottenschwarm am Fenster über der Spüle. Dann hörte er Geräusche, etwas, das draußen am Haus entlangstrich und groß genug war, um die Insekten aufzuschrecken. Er erhob sich mühsam vom Stuhl und ging zum Fenster. Dabei wurde er sich seiner lauten Schritte auf dem Holzfußboden bewusst. Tiere schloss er aus, denn das Wild kam niemals bis zum Haus, nicht solange drüben die Brombeersträucher standen, an denen es knabbern konnte. Auch ein Waschbär kam nicht infrage, sie waren viel zu klein. Aber vielleicht war es ein Braunbär, obwohl sie in der Gegend äußerst selten waren. Dann wurde ihm schlagartig bewusst, dass es auch ein Mensch sein konnte.
    Er hatte aus Prinzip keine Schusswaffen im Haus, aber nun fiel ihm ein, dass ihm ein Gewehr durchaus nützlich sein konnte. Denn weder Bären noch Menschen waren ausnahmslos freundlich.
    Hinter dem Fenster sah er nichts außer sternenloser Dunkelheit.

    Er ging zur Hintertür und schaltete das Licht auf der Veranda ein. Da vernahm er plötzlich Schritte im hohen Gras neben dem Haus. Er erreichte gerade noch rechtzeitig das Schlafzimmerfenster, um eine groß gewachsene Gestalt davonlaufen und hinter den Bäumen am Straßenrand verschwinden zu sehen.
    Er kehrte in die Küche zurück und sah die Patronenhülse, die noch immer auf dem Tresen neben der Spüle stand. Sie war von draußen deutlich zu erkennen. Er fragte sich, ob ihr Vorhandensein wohl etwas mit dem ungebetenen Gast zu tun hatte.
    Er steckte das Projektil ein.
    Auf der Wanduhr sah er, dass es nach Mitternacht war und damit vermutlich zu spät, um seine Tochter noch anzurufen.
    Er ging ins Wohnzimmer und zog ein Buch aus dem Regal, eines über den großen Rocky-Mountains-Kohlerevierkrieg Anfang des 20. Jahrhunderts. Er nahm es mit ins Bett, merkte aber bald, dass er sich weder auf die Nationalgarde und Mutter Jones konzentrieren, noch über der Lektüre einschlafen

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