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Blutrot

Titel: Blutrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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um.
    »Wohnen Sie hier, Carla?«
    »Ja. Sir. Ich hab oben ein kleines Eckzimmer.«
    »Waren Sie gestern Abend zu Hause?«
    »Ja, Sir, war ich.«
    »Sonst noch jemand?«
    »Nur ich. Die anderen waren draußen in Cape Elizabeth. Wegen Mr. Harolds Geburtstagsparty.«
    »Keiner ist gestern Abend zurückgekommen? Vielleicht für einen kurzen Besuch?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Niemand.«
    Es war das, was er zu hören erwartet und befürchtet hatte. Er nahm an, dass sie ihm die Enttäuschung ansah.
    »Ich habe schon mit der Polizei geredet, wissen Sie«, sagte sie. »Die haben heute Morgen angerufen. Haben das Gleiche gefragt wie Sie. Es tut mir leid um Ihren Laden, Mr. Ludlow. Wirklich. Ist eine schlimme Sache.«
    »Vielen Dank.«
    Er wusste nicht, was er sie noch fragen sollte. Ihr Blick war auf den polierten Parkettboden gesenkt. Plötzlich legte sie die Finger ihrer gesunden Hand um das deformierte Handgelenk und schaute Ludlow wieder an.
    »Darf ich Ihnen etwas sagen, Mr. Ludlow?«
    »Sicher. Aber nennen Sie mich doch bitte Av. Mein Vater ist Mr. Ludlow .«

    Sie lächelte. Sie war einer jener Menschen, die mit dem ganzen Gesicht lächeln, nicht nur mit dem Mund. Beinahe wäre es ihm gelungen, das Lächeln zu erwidern. Dann sah sie ihn wieder ernst an.
    »Es steht mir nicht zu, das zu sagen, aber Sie sollten wissen, dass es in dieser Familie schwerwiegende Probleme gibt. Ich denke, Miss Edith versucht ihr Bestes, aber … nun, wissen Sie, Mr. McCormack ist ein schwieriger Mensch. Und die Jungen haben auch ihre Probleme. Ich wünschte, ich wüsste, wie tief sie bei den Jungen gehen. Wirklich, ich wünschte, ich wüsste es.«
    Sie schüttelte den Kopf. Er konnte die aufrichtige Besorgnis spüren, die sie beschäftigte. Als ob sie an allem eine Mitschuld hätte. So als ob sie in gewisser Weise eine Komplizin wäre, weil sie im Laufe der Zeit Dinge gehört und gesehen hatte, von denen sie besser nichts mitbekommen hätte. Sie wünschte sich ganz offensichtlich, die Dinge wieder irgendwie richten zu können, obwohl ihr dazu die nötige Macht fehlte. Sie tat ihm aufrichtig leid. Er hatte das Gefühl, mit ihr einem wirklich guten Menschen begegnet zu sein. Es waren nicht ihre Probleme, aber aus Loyalität, aus Zuneigung oder einfach wegen ihres Charakters nahm sie sich die Probleme der Familie zu Herzen und hätte sie am liebsten eigenhändig gelöst.
    Er wünschte, er hätte ihr etwas anderes sagen können. Aber es ging nicht.

    »Glauben Sie mir, Carla«, sagte er, »zumindest bei dem älteren Jungen reichen die Probleme sehr, sehr tief.«
    »Dann hat er es also wirklich getan. Ihren Hund erschossen, meine ich.«
    »Ja, das hat er.«
    Sie nickte traurig. »Ich wünschte, ich könnte behaupten, es wäre eine Überraschung, aber das ist es nicht. Ich war schon oft kurz davor zu kündigen. Ich bleibe, weil ich glaube, dass Mrs. McCormack mich braucht. Ich weiß, dass sie jemanden braucht. Aber manchmal frage ich mich, ob es das alles wert ist. Von Mr. McCormack und von Daniel muss ich viel einstecken. Mehr, als ich mir eigentlich bieten lassen müsste. Manchmal auch von Harold. Und ab und zu kommen Leute zu Besuch, die auch nicht besonders nett sind. Ich könnte woanders arbeiten. Einen anderen Job zu finden wäre gar kein Problem.«
    Sie hob die deformierte Hand. Die Finger sahen aus wie helle dünne Klauen, das Handgelenk war braunweiß gefleckt. Er sah, dass sie sich für die Behinderung nicht schämte. Dafür mochte er sie noch ein bisschen mehr.
    »Das hier ist kein Hindernis. Ich habe zwar keine zwei gesunden Hände zum Arbeiten, aber es ist auch nicht so, dass ich bloß eine hätte. Ich komme zurecht, wissen Sie. Meine Mutter brachte mir bei, dass man sich durch nichts unterkriegen lassen darf.
Aber manchmal weiß ich einfach nicht, ob ich gehen oder bleiben soll.«
    Er nickte. »Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie tun sollen, Carla.«
    »Ich weiß. Ich werde einfach noch eine Weile abwarten und sehen, was geschieht.«
    Er wandte sich ab, um zu gehen. »Vielen Dank, Carla. Für Ihre Zeit und dass Sie mit mir geredet haben.«
    Auf dem Treppenabsatz drehte er sich noch einmal zu ihr um, als sie schon im Begriff war, die Tür zu schließen.
    »Diese nicht so netten Leute, von denen Sie gesprochen haben, war von denen in letzter Zeit jemand hier?«
    Sie lachte. »Die kommen ständig vorbei«, sagte sie. »Ich sehe sie und über sehe sie, wenn Sie verstehen, was ich meine. Auf diese Weise komme ich besser mit

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