Blutrote Lilien
Haare wellten sich der neusten Mode nach über dem Kragen. Der Mantel, den er gegen die Kälte trug, war aus schwerem, mitternachtsblauem Brokat geschneidert und die Weste mit Perlen bestickt. Auf der linken Seite der Weste prangte das gelbe Wappen der Montmorencys mit den roten Balken und den vier mal vier Adlern. Er war nun nicht mehr nur Henri, sondern auch der zukünftige vierte Herzog von Montmorency.
Ich wartete darauf, dass er auf mich zugerannt kam, wie er es getan hatte, als wir noch Kinder gewesen waren, doch das tat er nicht. Vielleicht gehörte sich das als verheirateter Mann nicht mehr. Aber er lächelte sein breites Henri-Lächeln, von dem ich erst jetzt merkte, wie sehr ich es vermisst hatte, und so war ich es schließlich, die die letzten Schritte auf ihn zurannte.
Stürmisch hob er mich in seine Arme und küsste mich auf beide Wangen, als hätte er im letzten Augenblick doch vergessen, was sich schickte, und wir beide wären wieder daheim in Chantilly.
Nachdem er mich abgesetzt hatte, nahm er meinen Arm und führte mich hinüber zu einem kleinen Holzverschlag, in dem die Palastwache Stellung bezogen hatte. Ein Mann in Harnisch und weißem Spitzenkragen sah uns entgegen. Sein Gesicht zierten eine Knollennase und ein beachtlicher Schnurbart, dessen Enden sich spitz und weit über seine Wangen nach oben bogen.
»Marschall de Vitry, darf ich Euch meine Schwester Charlotte de Montmorency vorstellen.«
Der Mann nickte missmutig und sein Blick glitt prüfend über mich.
Unter diesem Blick verstummte ich, außer einem Nicken brachte ich nichts zustande, dabei war ich für gewöhnlich nicht auf den Mund gefallen. Da ich nicht genau wusste, was die Etikette vorsah, machte ich vorsichtshalber einen Knicks und murmelte: »Sehr erfreut.«
Doch der Mann sagte nur etwas vor sich hin, das ich nicht verstand, und sah weiter finster drein. Irritiert blickte ich zu Henri, der mein Unbehagen bemerkte und mich erneut am Arm nahm und weiterzog. Nervös warf ich einen Blick über die Schulter zurück, doch Marschall de Vitry war damit beschäftigt, den Dienern zuzusehen, wie sie die Kutsche entluden. Dabei stand er steif wie ein Zinnsoldat trotz des kalten Windes, der Henri und mich die Schultern hochziehen ließ.
»Du darfst dir nichts daraus machen, Charlotte. Der Marschall sieht immer so aus, als wollte er einen gleich verhaften. Er ist der Hauptmann der königlichen Garde und vermutet in jeder Gewandfalte ein Messer. Seitdem der letzte König von einem Jesuiten ermordet wurde, auch bei jedem Priester und jedem Frauenzimmer.« Er lachte und ich schüttelte über seinen Spaß den Kopf. Was war an der Ermordung Henris III. so komisch?
»Ist es denn wirklich so gefährlich im Louvre?«
»Nicht für die Ehrendamen der Königin.« Henri tätschelte meinen Arm.
Die Geste ärgerte mich, denn sie schien zu sagen: Nicht für Mädchen wie dich . Sie hatte etwas Herablassendes und ich fragte mich, woher diese Herablassung kam. Früher hatte Henri mich nie so behandelt. Obwohl er jetzt größer war als ich, war er dennoch ein Jahr jünger, und in Chantilly hatten wir die meiste Zeit gemeinsam verbracht, da zwischen uns und unseren Halbgeschwistern einige Jahre lagen und wir ihnen nie besonders nahegestanden hatten. Als Henri geheiratet hatte und an den Hof nach Paris gegangen war, hatte ich nicht nur meinen Bruder, sondern auch meinen Vertrauten verloren.
Doch mein Ärger war schon bald vergessen, denn wir betraten den Louvre am nördlichen Treppenaufgang und vor mir entfalteten sich die breiten Aufgänge. Unser eigenes Schloss in Chantilly besaß zwar auch Marmorfußböden, aber sie ließen sich in ihrer Pracht nicht mit diesen hier vergleichen. Die Wintersonne, die durch die runden Fenster fiel, prallte an den weißen Fliesen ab und sprang dem Besucher geradezu ins Gesicht. Säulen reckten sich über unsere Köpfe empor und schienen kein Ende finden zu wollen; wenn ich ihre Kapitelle sehen wollte, musste ich den Kopf in den Nacken legen. Die Decken waren geschmückt mit allerlei Stuck und Gemälden und ich hätte nach jedem Schritt stehen bleiben können, um mir die Szenen genauer anzusehen. Doch Henri zog mich schnell weiter.
»Das kannst du dir alles in den nächsten Tagen in Ruhe ansehen, Vater erwartet uns. Warte nur ab, bis du die große Galerie siehst, du wirst staunen.«
In meiner Begeisterung achtete ich nicht auf den Weg und stieß ein paarmal mit Fremden zusammen. Manche lachten amüsiert über mein
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