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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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Staunen, andere schnaubten empört und eine ältere Dame mit einer breiten Perlenkette um den dicken Hals murmelte aufgebracht: »Immer diese Mädchen vom Lande!«
    Ich lief rot an und beeilte mich, Henri zu folgen, der ungeduldig eine Tür aufhielt. Wie konnte man nicht begeistert sein von diesem Ort? Wie war es möglich, dass die Menschen nicht ständig innehielten, um ihn zu bewundern? Es war mir ein Rätsel.
    Genau wie die unzähligen Gänge.
    Kaum bogen wir um eine Ecke, eröffneten sich schon wieder durch Kerzen beleuchtete Treppenaufgänge und Korridore. Wie sollte ich mir jemals merken, welchen Weg ich gehen musste?
    »Nun trödele doch nicht so, Charlotte. Bei Gott, deinetwegen kriege ich noch ganz kalte Füße.«
    Eine Zofe, die uns entgegenkam, kicherte über Henris Ausruf, während sie einen Knicks andeutete und dabei versuchte, einen Korb voller Wäsche zu balancieren, der ihr gefährlich schief auf der Hüfte saß.
    Plötzlich kam aus einem Seitengang ein Diener in blauer Livree gestürzt, unter der die Weste nur halb zugeknöpft war. Auf den Händen trug er ein Tablett, das unter der Last der Speisen jeden Augenblick zur Seite zu kippen drohte. Der Mann eilte an uns vorbei, wobei sein Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst war.
    »Das wird nicht gut gehen«, flüsterte ich Henri zu, der nur mit den Schultern zuckte.
    »Das ist der Leibdiener der Comtesse de Moret, einer Dame, der der König eine Zeit lang sehr zugetan war. Sie ist ein fürchterliches Frauenzimmer und beschwert sich lautstark, wenn die Diener ihr nicht sofort jeden Wunsch von den Augen ablesen. Wahrscheinlich bestraft sie den armen Kerl, wenn er bei seinem Gang durch den Louvre das Essen kalt werden lässt.«
    »Das ist ja grauenvoll.«
    »So ist der Hof eben«, erwiderte Henri, als wäre ein solches Verhalten das Normalste auf der Welt.
    Aus einem der Gänge drangen seltsame Geräusche an mein Ohr und der Geruch nach Farbe lag in der Luft.
    »Was ist das?«, fragte ich neugierig.
    »Die Werkstätten. Dort lässt der König neue Gemälde und Skulpturen anfertigen. Du wirst feststellen, dass die Männer, die dort arbeiten, niemals schlafen. Zumindest kommt es einem so vor, immerzu brennt Licht, wird gemeißelt oder gemalt, sodass dieser Teil des Louvre unentwegt nach Farbe stinkt.«
    »Das ist doch wunderbar!«
    »Das wirst du nicht mehr sagen, wenn du hier lebst und den Gestank jeden Tag ertragen musst oder wenn du versuchst zu schlafen, glaub mir. Gut, dass unsere Appartements nicht in diesem Flügel liegen.«
    Henri schien diesem Tag nicht viel Positives abgewinnen zu können, daher schwieg ich und beschloss, in der nächsten Zeit das Schloss allein zu erkunden. Es war auf jeden Fall das größte Gebäude, das ich je in meinem Leben betreten hatte, und schien mir ein rechter Irrgarten zu sein. Ein Labyrinth mit marmornen Wänden, in dessen Ecken Statuen antiker Götter standen, deren steinerne Blicke mir folgten.
    Im zweiten Stock waren weniger Menschen unterwegs, auch der Lärm ließ nach. Die Diener waren gerade dabei, Fackeln anzuzünden, als uns auf dem dämmrigen Gang ein Mann entgegenkam, der ganz in Schwarz gekleidet war. Sein weißer Kragen lag steif auf den Schultern und zwang ihn dazu, kerzengerade zu gehen. Keine Perle verzierte seine Kleidung und es war kein Schmuck zu sehen. Er trug die typische Kleidung der Hugenotten. Auf dem Kopf glänzte zwar eine beachtliche Glatze, aber sein Bart war lang und sorgfältig geschnitten. Er reichte ihm bis zum Schlüsselbein. Der Mann flößte mir Respekt ein, wie er uns langsam entgegenkam.
    Neben mir versteifte sich Henri, er lief plötzlich ebenfalls gerader und legte mir die Hand auf die Schulter. »Bleib einen Moment hier stehen, Charlotte, ich muss mit ihm reden. Schon seit Tagen versuche ich, eine Audienz bei ihm zu bekommen.«
    Bevor ich noch etwas mehr als »Was ...« sagen konnte, war Henri dem Mann auch schon entgegengeeilt und hatte mich stehen lassen. Mitten im Gang, wo es empfindlich zog.
    Warum wollte er mich diesem Mann nicht vorstellen? Die Entfernung war zu groß, ich konnte ihr Gespräch nicht hören, nur sehen, wie Henri auf den Protestanten einredete und dabei immer wilder mit den Händen gestikulierte. Offenbar ärgerte er sich über etwas. Doch sein Gegenüber blieb ruhig, ab und zu nickte der Mann und strich sich über den Bart. Er machte einen gefassten Eindruck, wie jemand, der sich seiner selbst sehr sicher war, ohne überheblich zu wirken. Hin und

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