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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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rauskäme, dann …
    Wenn.
    Lena begann zu schluchzen. Sie schrie auf, aber unter Wasser sprudelten nur Luftblasen. Tränen sammelten sich in ihrer Taucherbrille. Wie hatte sie nur so bescheuert sein können? Tauche nie allein, ha! Gott, war sie dämlich! Und wie lange war sie eigentlich schon hier, es war so eng, sie bekam einfach keine Luft, die Luft, ja, o Gott – wie viel Luft hatte sie noch?
    Lena tastete nach dem Finimeter – die Flasche war fast leer. Natürlich.
    Die Angst, die eine Panik war, spülte durch ihren Körper. Ihr Herz trommelte, ihre Kehle war trocken, sie meinte ihren Puls an den Handgelenken jagen zu spüren.
    Ha-Hu, Ha-Hu machte der Lungenautomat und spuckte Luftblasen aus. Aber wie lange noch?
    Denk nach, verdammt. DENK NACH.
    Wie viel Zeit blieb ihr, bis die Flasche leer war? Fünf Minuten? Höchstens. Wo steckte Sándor? Wo steckte Papa? Nur sie steckte – nämlich fest. Ha, ha, ha, ein Scherz ist da.
    HÖR AUF! DENK NACH!
    Mit äußerster Anstrengung meißelte Lena diese Worte in ihren Kopf. Niemand würde kommen. Sie musste es alleine schaffen.
    DENK NACH!
    Okay, ich stecke fest. Warum zum Teufel? Weil du zu fett bist, dumme Ziege. BLÖDSINN. Wieder zerrte und zog sie, versuchte mit den Flossen irgendwo Halt zu finden und sich nach vorne zu drücken, drehte und schaukelte in ihrem Bett aus Fels.
    ES GEHT NICHT!
    O lieber Gott, bitte hilf mir. Das durfte einfach nicht wahr sein. Sie hing hier mitten in einer Wand aus Stein, hatte die Arme frei und vor sich eine große Wasserhöhle, groß, mit viel Platz, aber … DU STECKST IN DIESEM BESCHISSENEN LOCH FEST UND WIRST HIER VERRECKEN!
    Nein, würde sie nicht. Aber sie hatte Angst, so viel Angst. Ein Wimmern drang aus ihrer Kehle und verwandelte sich in perlende Luftblasen.
    DENK NACH!
    Sie war nicht zu dick und doch war sie es. Also musste sie dünner werden. Wo genau mochte sie feststecken?
    Der Bleigürtel!
    Jeder Taucher trägt einen Gürtel mit Bleigewichten, um den Auftrieb des Neoprenanzuges auszugleichen. Dicke Bleigewichte, dreimal zwei Kilo schwere Brocken. Hatten die sich im Fels verhakt?
    Neue Hoffnung spülte durch ihren Körper und drückte die Angst zur Seite. Wenigstens ein bisschen. Sie zog den rechten Arm an sich heran, bog ihn schmerzhaft und versuchte ihre Hand zwischen Felswand und Rippen zu schieben. Zu dick. Es ging nicht. Abermals stiegen ihr die Tränen in die Augen und ein tierisches Wimmern entrang sich ihrer Kehle. Sie versuchte den dicken Handschuh mit der anderen Hand abzustreifen, aber die Finger waren taub. Zu wenig Gefühl.
    ICH SCHAFFE ES NICHT.
    Und da merkte sie, dass die Flasche kaum mehr Luft enthielt. Als sie einatmete, war da plötzlich weniger, das mechanische Hu-Ha klang anders. Ihr blieben keine fünf Minuten mehr.
    Lena nahm einen tiefen Luftzug, spuckte die zweite Stufe des Lungenautomaten aus ihrem Mund und packte den Handschuh mit ihren Zähnen. Wild riss sie daran herum, bis er sich endlich lockerte und sie ihn mit der anderen Hand herunterbekam. Wieder verdrehte sie ihren Arm, Schmerz flammte auf, aber jetzt war alles egal. Sie quetschte, und diesmal schob sich ihre Hand langsam vorwärts. Endlos kam es ihr vor, bis die Finger den Bleigurt berührten, eingequetscht wie die Salami auf einem Sandwich, kaum Platz zum Knicken der Finger. Sie zog den Bauch tief ein, schuf eine enge Mulde, damit die Finger sich bewegen konnten. Arbeitet, kleine Finger, geliebte Finger, lasst mich jetzt bloß nicht im Stich. MACHT SCHON! Endlich hörte sie das leise Klicken, vom endlos sie umfließenden Wasser gedämpft. Lena zog und zerrte.
    JA!
    Sie bewegte sich vorwärts. Ein Ruck und noch einer. Quälend langsam bewegte sie sich vorwärts. Sie fing das vor ihr im Wasser schwebende Mundstück ein und machte einen neuen, tiefen Zug. Es kam noch Luft! Gott, ich danke dir, es kommt noch Luft. Sie schob sich vorwärts, ihre Brüste schmerzten, als sie über die Felskante schrammten, jetzt hing sie mit dem Oberkörper aus der Wand, war zur Hälfte frei, konnte endlich ihre Hände und Arme zu Hilfe nehmen, sich abstützen und drücken.
    Wieder ein Atemzug.
    Vorbei.
    Ihre Lungen waren noch nicht halb gefüllt, als sie Metall im Mund schmeckte und einen Unterdruck, der ihr die Luft wieder aus dem Körper saugen wollte. Die Flasche war leer. Und sie steckte immer noch fest. Soviel sie auch quetschte und drückte, ihre Hüften bewegten sich nicht. Sie hielt die Luft an, dieses lächerliche Quäntchen Luft, das noch in ihr

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