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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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man sie, kamen bröckelige Treppen zum Vorschein, die ins Wasser hineinführten. Einen halben Meter daneben blitzte etwas im Sonnenlicht auf. Sándor ging hin und hob es auf: ein Schraubenzieher. Wo zum Teufel kam dieses Ding her? Gestern war es noch nicht da gewesen, oder? Er versuchte sich daran zu erinnern, war sich aber nicht sicher. Misstrauisch rüttelte er an der Luke. Verschlossen, wie es sein sollte. Er musterte die Umgebung und fand ein paar platt gedrückte Grashalme. Die waren nach dem Gewitter aus dem ausgetrockneten Boden geschossen und leuchteten grün. Aber an dieser Stelle waren sie geknickt und lagen flach am Boden. Als hätte etwas Schweres sie niedergedrückt. Eine Taucherflasche? Nein, größer. Ein Kanister vielleicht oder ein Fass. Merkwürdig. Oder pure Einbildung?
    Spielerisch warf Sándor Palotás den Schraubendreher in die Luft und fing ihn wieder auf.
    10.23 Uhr, Burgberg, Tunnelanlage
    »Gib mir dein Handy«, hatte Janosch gesagt. Und ohne ein weiteres Wort zog er es Lázlo aus der Hosentasche. So als ob er genau gewusst hatte, wo es steckte. Hatte er natürlich. O ja, Janosch wusste fast alles. Aber eben nur fast. »Gib mir dein Handy«, hatte Janosch gesagt, gestern, nachdem er Lena mit einer Flasche gedopten Wassers ruhiggestellt hatte. Lázlo fühlte sich ohne sein Handy merkwürdig nackt, wie ein halber Mensch. Die andere Hälfte aber war eifrig ans Werk gegangen. Den Großteil der Nacht über war Lázlo unterwegs gewesen, hatte so viele Informationen gesammelt wie möglich, so viel Material zusammengerafft, wie er tragen konnte. Lázlo war von der Außenwelt abgeschnitten, der Tunnelausgang wurde von André und zwei seiner bulligsten Spießgesellen bewacht: Der Rabe hatte Order gegeben, dass sich in dieser Nacht die gesamte Schwarze Armee hier aufhalten solle. Ohne Ausnahme. Hundert junge Männer fieberten ihrem großen Tag entgegen, glaubten mit leuchtenden Augen Hollós Lügen. Nein, Lázlo konnte niemanden anrufen und den Berg nicht verlassen. Aber hier drin, in den Tunneln unter dem Burgpalast, konnte er sich nützlich machen. Janosch war ihm zwar eine ganze Weile auf den Fersen geblieben, hatte es aber irgendwann aufgegeben. Was sollte er daran aussetzen können, wenn Lázlo noch einmal die Anbringung von Timer und Zünder übte? Dass er dabei einen Teil der Geräte mitgehen ließ, bemerkte Janosch nicht. Und später gelangte Lázlo sogar in Hollós Raum, ohne dass ihn jemand bemerkte. Mit einem Puls, der so schnell ratterte wie ein Maschinengewehr, war Lázlo durch das Zimmer gehuscht. Hatte Grundrisse kopiert und schließlich einen wahren Schatz gefunden: eine Kopie des Generalschlüssels fürs Parlament. Einen hatte Janosch, das wusste Lázlo, einen anderen trug Holló mit sich herum. Und der dritte verschwand in Lázlos schon ziemlich ausgebeulter Hosentasche.
    Irgendwann in der Nacht hätte er Streichhölzer gebraucht, um seine Augen offen zu halten. Mehr ging eben nicht. Er schleppte sich in ein Bett, wälzte sich ruhelos hin und her, sorgte sich um Lena und dachte an den nächsten Tag. Den 20. August. Heute.
    »Hoch mit dir, Schlafmütze!« Schon wieder Janosch. »Unser großer Tag ist da. Und ich habe wunderbare Nachrichten!«
    Das hörte sich schlecht an. »Was?«, fragte Lázlo.
    »Unsere Taucher waren sehr eifrig heute Nacht. Alles ist super gelaufen. Punkt 17.00 Uhr geht da unten im Wasser ein hübsches Geplätscher ab.«
    Und Gift, dachte Lázlo, wird freigesetzt, um in das Gellért-Bad zu fließen. »Sehr schön«, sagte Lázlo mit einem hoffentlich erfreuten Lächeln.
    »Findest du, ja?« Janosch beäugte ihn misstrauisch. »Komm, jetzt liegt es an uns. Auch wir müssen uns auf den großen Auftritt vorbereiten. Heute Nachmittag wartet das Parlament auf uns.
    »Toll«, nickte Lázlo.
    14.51 Uhr, vor dem Parlamentsgebäude, Kossuth tér
    Frenyczek lauschte dem Knopf in seinem Ohr. Sie benutzten den Funk, um nicht ständig ihre Handys benutzen zu müssen. Und weil diese Frequenz abhörsicherer war. Man wusste ja nie. »In Ordnung«, murmelte er in das Hemdkragenmikro und gestattete sich ein Aufatmen. Jede Stunde, die ohne Zwischenfälle verstrich, war eine gute Stunde. Vielleicht hatte er sich ja doch geirrt und es würde gar nichts passieren. Vielleicht war alles nur ein Albtraum, der sich in den Tag geschlichen hatte und Frenyczek Angst machte, obwohl es gar keinen Grund dafür gab. Vielleicht. Dieses elende »vielleicht«. Seit neun Uhr stand er hier auf seinem

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