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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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die schwang jedes Mal ungerührt hin und her, bis Lena sie endlich doch noch erwischte. Knirsch und Dunkelheit.
    Dann hatte sie sich zum Eingang getastet, die Matratze in Position gerückt und gewartet. Lange gewartet. Fast wären ihr im Stehen die Augen zugefallen, als sie dann doch endlich Stimmen vor der Tür hörte. Schließlich den Schlüssel, wie er in das Schloss glitt. Jemand kam herein, sie meinte Lázlo zu hören, der nach ihr rief, aber da kippte Lena schon die Matratze auf ihr Opfer und begrub es unter sich. Mit ihrem vollen Gewicht warf sie sich obendrauf und lauschte keuchend. Die Tür stand halb offen, vom Gang draußen drang schwaches Licht herein. Aber nur das: Keine wütenden Stimmen, keine Schritte.
    »Lena«, jammerte es unter ihr durch die Matratze hindurch. »Hör auf mit dem kindlichen Unfug. Ich bin es!«
    Das war eindeutig Deutsch und eindeutig Lázlo. Zögernd stand sie auf und zerrte die schwere Matratze von ihrem Gefangenen. Stöhnend rappelte er sich auf. »So«, sagte er hustend, »habe ich mir unsere erste Begegnung auf einer Liege nicht vorgestellt.«
    Trotz all ihrer Angst, trotz dieser Stunden in Einsamkeit, Kälte und Dunkelheit musste sie grinsen. Er trat auf sie zu, umarmte sie. Aber konnte Lena ihm trauen?
    »Vergib mir, Lena«, flüsterte er. »Aber wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen weg von hier und zwar im Augenblick!«
    Im dämmrigen Licht liefen Schatten über sein Gesicht, düster und traurig. Er streckte ihr seine Hand hin: »Komm.«
    Lena zögerte, ließ aber schließlich doch ihre Finger in seine gleiten. Er zog sie mit sich fort. »So leise wie möglich«, flüsterte er.
    Lázlo führte sie durch einen Irrgarten aus Beton. Überall zweigten neue Gänge ab, manche lagen komplett im Dunkeln, die meisten waren schwach beleuchtet. Manchmal zog er Lena in eine Nische, wenn Stimmen oder Schritte ertönten. Und während er sie durch dieses Labyrinth führte, flüsterte er ununterbrochen auf sie ein. Erzählte in Stichpunkten, die wie Nadeln in Lenas Herz stachen, von seinem Leben: Selbstmordversuch, Janoschs Verführung, die Gehirnwäsche durch Holló, den Raben, und Lázlos Hingabe an die Schwarze Armee – all das raunte er ihr zu. Und mit jedem Satz packte sie seine Hand fester und fester.
    Längst hatte Lena die Orientierung verloren, als Lázlo endlich stehen blieb.
    »Eine Sackgasse«, wies sie auf das Offensichtliche hin.
    »Nein«, erwiderte Lázlo. »Der Eingang in der Mauer ist der einzige, aber er wird gut bewacht. Dort können wir nicht hinaus. Dieses hier hat mir Frosch gezeigt.« Er winkte sie heran. Im Halbdunkel erkannte sie, dass dies kein Beton war, sondern eine Wand aus Ziegeln. Eine wacklige Wand, wie sogar Lena feststellen konnte.
    »Hörst du das?«, fragte Lázlo.
    Sie drückte ihr Ohr an den Stein, hörte dumpfe Geräusche, ein Lachen und sogar … Musik?
    Bevor sie fragen konnte, nahm Lázlo ihre Hände und küsste sie. »Hier. Dein Handy konnte ich nicht in Besitz nehmen, aber dies schon.« Er griff sich an den Rücken.
    »Mein Rucksack.« Lena lachte leise. »Du hast ihn jetzt schon zweimal gerettet.«
    »Nein.« Er blieb ernst. »Das erste Mal zählt nicht.« Dann zog er noch etwas aus seiner Hosentasche. »Deine Taucheruhr, besser als nichts. Und jetzt, Lena, höre mir bitte noch einmal genau zu.«
    Sie streifte sich die Uhr über das Handgelenk und lauschte gespannt.
    »Genau um 17.00 Uhr werden in der Molnár János Giftcontainer explodieren.«
    Ein Schauer aus Eis lief Lena den Rücken hinunter, und als sie auf die Armbanduhr schaute, packte das Eis auch nach ihrer Brust. »Das sind nur noch 74 Minuten«, stotterte sie.
    »Ich weiß. Wenn du von hier geflohen bist, musst du sofort deinen Vater holen, die anderen Taucher, die Feuerwehr, ich weiß es nicht. Und die Polizei. Nun denn, die Bombe, sie ist genau hier.« Lázlo zerrte ein Papier aus den unergründlichen Tiefen seiner Jeanstaschen und eine Stabtaschenlampe noch dazu. »Siehst du?«, sagte Janosch und tippte auf ein Kreuz. »Dort an diesem Höhlenknick. Ich habe eine Markierung aufgetragen. Kannst du damit etwas anfangen?«
    Lena studierte die Zeichnung des Höhlensystems. Sie war maßstabsgetreu, überaus exakt und sah genauso aus wie jene, die Sándor bei der Tauchplanung benutzte. »Ja. Klar. Ich meine …«
    »Gut. Dort lagern seit heute Nacht die Fässer. Jetzt benötigst du noch das hier.« Lázlo fummelte ein kleines Gerät hervor, das aussah wie eine winzige digitale

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