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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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Uhr, Burgberg, Tunnelanlage
    Die Tür wurde von einem Jungen bewacht, den Lázlo kaum kannte. Er war älter, vielleicht schon 18 und zum Glück nicht besonders helle. Wie hieß der noch? Verzweifelt versuchte Lázlo sich an den Namen zu erinnern, denn den brauchte er. Georg? So ähnlich. Gabor? Nein, ganz kalt. Gergely, ja, das war schon wärmer. Lázlo suchte in seinem Kopf herum, aber der Name fiel ihm einfach nicht ein. Ängstlich drückte er sich in den Schatten der Gänge, linste zu der Wache und überlegte.
    Keine Chance. Der Name lag ihm auf der Zunge, aber über die Lippen kam er ihm nicht. Denk an etwas ganz anderes, befahl sich Lázlo, und sofort, als hätte sie nur darauf gewartet, war Lena in seinem Kopf. Lena, wie sie lachte, wie sie ihn wütend beäugte und wie sie ihm einem Kuss gab. Lena, die auf der Margareteninsel an seiner Seite liegt, schlafend und wunderschön, Lena im Regen, nass, aufregend und …
    György!
    Ja, das war es. Lázlo atmete tief ein, stieß sich von der Tunnelwand und schritt schnell und gewichtig los. Hoffte er wenigstens.
    »György!«, bellte er los. »Ich übernehme hier. Du sollst sofort zu Holló!«
    »Was? Janosch hat gesagt …«
    »Janosch, Janosch! Verstehst du nicht? Der Rabe selbst hat mich zu dir geschickt. Er sagte: Hole mir György, er ist mein bester Mann für diesen Job.«
    »Welcher Job?«
    Sogar im Zwielicht der Tunnel konnte Lázlo das freudige Glitzern in den Augen des Jungen sehen.
    »Das will Holló nur dir sagen. Lass ihn nicht warten!«
    »Gut, dann … ja!«
    »György?«
    »Was denn noch?«
    »Den Schlüssel!«
    »Ach so, natürlich.« Der Junge fasste sich an den Hals: An einer Schnur baumelte der Schlüssel.
    »Gute Idee«, schmeichelte Lázlo ihm.
    Wieder blitzte die Freude in Györgys Gesicht auf. Fast tat er Lázlo ein bisschen leid. Aber eben nur fast. »Und wenn du schon dabei bist: Gib mir dein Handy.«
    »Warum?« Plötzlich misstrauisch geworden wich György einen Schritt zurück.
    War Lázlo zu weit gegangen? »Ach, ich habe schon die meisten eingesammelt«, lächelte er. Holló lässt bei jedem einen GPS-Sender einbauen, damit er immer weiß, wo wir sind, und uns beschützen kann.«
    »Echt?«
    »Ja. Der Rabe wacht über uns.«
    »Klasse!«, freute sich der Junge. »Dann kann ich es ihm ja gleich selber geben.«
    »Dummkopf«, fauchte Lázlo ihn an. »Glaubst du denn, Holló macht das selbst? Dafür hat er seine Leute.«
    »Okay. Dann … gut.«
    Lázlo gönnte sich ein Lächeln. Gleichzeitig spürte er, wie Grauen in ihm aufstieg. Sie alle waren Marionetten des Raben. Jeder hatte so viel Angst, nein Ehrfurcht vor ihm, dass sie blind gehorchten. Man brauchte nur »Holló will« zu sagen, und schon rannten alle. Auch Lázlo war so gerannt.
    Bittere Galle stieg in seiner Kehle auf, aber er schluckte sie hinunter. Er hatte keine Zeit. Die Gänge unter dem Berg waren weitläufig, aber mehr als 10, vielleicht 15 Minuten hatte Lázlo nicht. Er schloss die Tür auf, zögerte, weil es dunkel war in der Zelle, aber nicht dunkel sein durfte, machte trotzdem einen Schritt und flüsterte: »Lena! Ich bin’s!«
    Eine weiche Wand stürzte auf Lázlo und begrub ihn unter sich.
    15.39 Uhr, Váci utca
    Éva machte ein gutes Geschäft. Wenn nur jeder Tag Stephanstag wäre! Aus den Erfahrungen der letzten Jahre hatte sie gelernt und war heute gleich mit zwei Plastikeimern unterwegs. Ihrem grünen, den sie ständig mit herumschleppte, und einem roten. Beide waren schon fast leer – ein guter Tag. Langsam und mit vorsichtigen Schritten, mit Schmerzen in den Beinen näherte sie sich dem Parlament.
    15.40 Uhr, Burgberg, Tunnelanlage
    Als Erstes hatte Lena ihre Matratze hochgestemmt und in die Ecke neben der Tür gelehnt. Das Ding war schwer, richtig schön schwer. Dann hatte sie die Glühbirne eliminiert. Das Ding saß ein kleines bisschen zu weit oben an der Decke. Wenn Lena in die Luft sprang, fehlten immer ein paar Zentimeter. Aber das Zimmer war kahl und leer. Sie sammelte ein paar Betonstückchen, die von den Wänden abgebröckelt waren, und veranstaltete Zielübungen. Einmal traf sie sogar, aber die Glühbirne sagte nur »pling« und glühte weiter – die Steinchen waren einfach zu klein. Lange hatte sie sich umgesehen und schließlich aus Frust die noch volle Wasserflasche am Verschluss gepackt, war in die Höhe gesprungen und hatte plötzlich ein paar Zentimeter längere Arme. Wie mit einem Baseballschläger drosch sie bei jedem Sprung auf die Birne ein,

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