Blutsäufer (German Edition)
Erlebnis
verschaffe?“
„Das … das wirst du doch nicht tun … Gräfin.
Oder?“ Er wusste nicht, wie er in diesem Augenblick ausgesehen haben musste,
war sich jedoch ziemlich sicher, dass er einen reichlich jämmerlichen Anblick bot.
Er war ein Mann, der kurz davor war, sich aus Angst vor einer Frau in die Hosen
zu pissen, und war nicht mal dazu richtig in der Lage. Erstens, weil er keine
Hosen trug, in die er pissen konnte, weil er nackt war, und zweitens, weil sie vor
diesem Kampf persönlich dafür gesorgt hatte, dass seine Blase sich bis
auf den letzten Tropfen entleert hatte.
„Leg deinen Kopf zurück!“, befahl sie jetzt.
„Leg ihn weit zurück!“
Er wollte dem Befehl nicht Folge
leisten – war aber zu keiner Gegenwehr fähig. Seine Angst war um ein
Unendliches größer als sein Wille. Er bot seinen Hals dar wie ein im Kampf
unterlegenes Tier.
Abermals schrie er auf, als er den Biss im
Hals spürte. Doch neben dem Schmerz war die Lust, eine brennende, pulsierende
Erregung, die noch größer wurde, als sie an seinem Hals zu saugen begann. Es
währte nicht lange, es währte viel zu kurz. Als sie von ihm abließ, fing er an,
ihren Rücken zu umklammern, sie mit einer Hand (die andere hing wie tot an
seinem Unterarm) zu streicheln. Seine gesunde Hand wanderte tiefer, tiefer,
tiefer – er war wie von Sinnen in seiner Begierde, er war der Raserei nahe.
Die Gräfin machte dem ein Ende, indem sie ihm
zwei Finger in die Kehle drückte und seinen Arm wegstieß. „Du hast mich
befleckt“, sagte sie beiläufig. Es klang wie eine sachliche Feststellung.
Gleichgültig. „Jetzt schau in meine Augen, Franz!“
„Warum?“
„Schau in meine Augen, und du wirst diese
Nacht vergessen, wie du auch die vorige Nacht vergessen hast.“
„Aber“, er sah sie beinahe flehend an, „das
will ich nicht. Ich, ich will nicht vergessen … ich glaube, ich liebe dich!“
War er völlig irre geworden? Waren dies die
ersten Anzeichen beginnenden Wahnsinns? Wollte er sie nicht eben noch töten?
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, du liebst
mich nicht. Deine Liebe ist nur eine Illusion. Es ist deine Begierde, die mich
zu lieben scheint. Das vergeht. Schon in der nächsten Stunde wirst du mich
wieder hassen. Du wirst flüchten oder mich töten wollen. So war es bei allen.
So war es immer. Zu aller Zeit.“
Er sah auf sein Handgelenk, das anscheinend
gebrochen war, fasste an die Male an seinem Hals, aus denen noch ein paar
Tropfen Blut sickerten, und fühlte seine schmerzenden Rippen, als er wie beschwörend
der Verursacherin all seiner Qualen zurief: „Doch, ich liebe dich! Ich liebe
dich mehr als alles andere auf dieser Welt. Nichts habe ich vorher mehr
geliebt!“
Und nichts hast du vorher mehr gefürchtet, sagte
eine Stimme in seinem Kopf, ehe ihm ein bestialischer Schrei entfuhr, der jede
Stimme in ihm erstickte.
Die Gräfin hatte nach seinem misshandelten
Handgelenk gegriffen und ihn zu sich herangezogen. Wieder war sie ihm ganz nah
und ihre Augen schimmerten in einem Glanz, in dessen Unergründlichkeit scheinbar
alles zu nichts wurde und nichts zu allem. Er war wie hypnotisiert – oder er war oder wurde hypnotisiert. Es schien da eine Macht zu geben, die einen
Teil von ihm zu kontrollieren suchte, die in ihn drang wie ein scharfes
Skalpell. Erst als ihre Finger über seine Augen fuhren, war er zurück in der
wirklichen Welt, die ihm mit einem Mal so unwirklich anmutete.
„Ich habe heute mehr von deinem Blut
getrunken, als unbedingt nötig war. Ich werde es nie wieder tun, das verspreche
ich dir. Drei Tropfen von deinem kostbaren Blut reichen für mein Wohlbefinden
gewöhnlich aus. Doch immerhin hat dieses unmäßige Trinken geholfen, um – nun,
du wirst noch selber feststellen, wozu es gut war. Deine Erinnerung an diese
Nacht habe ich dir gelassen.“
Franz plinkerte mit den Augen. Als er
hochblickte, stand die Gräfin an der Tür. „Ich werde dich jetzt alleinlassen,
mein lieber Franz, ich habe noch einen nächtlichen Termin. Du wirst ganz auf
dich gestellt sein, denn unsere fleißige Elisabeth beehrt uns erst morgen
wieder. Vergiss nicht, dein Essen einzunehmen. Es steht in der Dienstbotenküche
auf dem Tisch.“
„Bist du … ein Vampir?“, rief er ihr nach,
als sie den Raum schon verlassen hatte.
Er hörte ihr dunkles Lachen.
Blöde Frage von mir, dachte er, blöde-blöde
Frage.
Ein wenig verwundert murmelte er vor sich
hin: „Sie hat mich gar nicht wieder angekettet.“
5
Bernstein
hatte
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