Blutsball (German Edition)
Verdeck der Kutsche baumelte, atmete tief durch und stieß ein erleichtertes Seufzen aus, als das Gespann endlich zum Stehen kam.
Die Tür wurde geöffnet und Andrew kletterte hinaus. Es war bereits dunkel und der Himmel zeigte sich sternenklar. „Ich muss Sie bitten, Ihre Maske jetzt aufzusetzen.“, vernahm Andrew die freundliche Stimme des Butlers neben ihm. Er nickte und zog sie aus seiner Tasche. Schnell knotete er das schwarze Satinband an seinem Hinterkopf zu einer Schleife und rückte die Maske so zurecht, dass er einigermaßen gut sehen konnte. Der Butler lächelte und deutete in Richtung des prunkvoll geschmückten Eingangs. „Hier entlang bitte“. Andrew bedankte sich und stieg die vier Stufen der steinernen Treppe hinauf. Es herrschte bereits ein reger Trubel, und vom Inneren des Gemäuers drang surrendes Stimmengemurmel und amüsiertes Gelächter.
Er tauchte ein, in eine für ihn vollkommen fremde Welt, aus edlen Roben, oberflächlichen Konversationen und in Strömen fließendem Alkohol. Kaum war er durch die Tür geschritten, bot man im schon etwas zu trinken an. Zögerlich griff er nach einem Glas Wein und sah sich staunend um. Der neue Schlossherr musste im Geld schwimmen, denn allein in der Empfangshalle war alles mit edelsten Stoffen und wunderbar duftenden Blumenarrangements dekoriert. Angestellte wuselten flink durch die Menge. Sie trugen große Silbertabletts die mit klirrenden Weingläsern beladen waren.
„Andrew Cartwright! Ich habe mir doch gedacht, dass du dein neues Gewand zu einem besonderen Anlass wie diesem tragen würdest.“ Eine viel zu laute Stimme, die plötzlich hinter ihm ertönte, ließ ihn zusammenzucken. Er wandte sich verwundert um und blickte in ein Gesicht, dass zu dreiviertel mit einer Maske aus schwarzen Samt verdeckt war. Doch die Züge um den freundlich lächelnden Mund, kamen ihm seltsam bekannt vor. Der hochgewachsene junge Mann, der ihm gegenüber stand, schien sich köstlich darüber zu amüsieren, dass er ihn nicht erkannte. Sein Anzug war passend zu seiner Maske aus schwarzem Samt und Satin. Der Gehrock fiel vorne auseinander und gab den Blick auf die Satinweste frei, an der eine silberne Brosche befestigt war. Der Stoff war sorgsam verarbeitet und offenbar maßgeschneidert. Als Andrews Blick über den Fremden glitt, dämmerte es ihm plötzlich.
„Philip Whortington? Du hast auch eine Einladung bekommen?“ Andrew konnte sein Erstaunen kaum verbergen. Philip war der Sohn des Schneiders. Zwar lieferte sein Vater hervorragende Arbeit ab, jedoch zählte seine Familie nur zum Mittelstand. Andrew war der Meinung gewesen, dass nur die einflussreicheren Bürger der Kleinstadt eingeladen worden waren. Umso mehr verwirrte es ihn, an diesem Abend auf Philip zu treffen. „Du hast wohl nicht mit jemandem wie mir gerechnet?“, fragte Philip schneidend. Andrews Reaktion, auf sein Erscheinen, war ihm nicht verborgen geblieben und er ärgerte sich.
Diese hochnäsigen Trottel sind immer der Meinung, nur sie hätten das Privileg für solche Veranstaltungen!,
dachte Philip und schnaubte.
Andrew hob abwehrend die Arme. „Nein, nein. Tut mir wirklich leid, so war das nicht gemeint – ich dachte nur…“
„Du dachtest nur, was hat einer wie DER hier verloren? Richtig?!“ Philip´s Mund verzog sich zu einem dünnen Strich. „Schon in Ordnung, entschuldige bitte! Ich wollte dir nicht den Abend vermiesen.“, schnauzte er und verschwand ohne ein weiteres Wort zwischen den anderen Maskierten.
Andrew blieb betroffen zurück. Er schämte sich für sein Verhalten. Eigentlich mochte er Philip. Doch sein Vater hatte ihm schon als kleinem Jungen verboten, mit den Kindern aus ärmeren Verhältnissen zu spielen. Edward hatte schon immer Angst um das Ansehen seiner Familie, und so durfte Andrew nur eine handvoll ausgewählter Kinder zu sich nach Hause einladen, während die Väter sich über das Geschäft unterhielten und die Mütter zusammen Tee tranken. Gerade, als er Philip hinterher eilen wollte, um sich zu entschuldigen, ertönte ein helles Glöckchen. Der Ton war so durchdringend, dass sofort alle Gäste ihre Unterhaltungen einstellten und sich suchend umblickten.
Auf der Treppe, die nach oben zu den Gemächern führte, erschien eine Gestalt, eingehüllt in einen schweren, schwarzen Umhang. Das Gesicht war vollkommen von einer scharlachroten Maske verdeckt. Es schien, als hätten alle für einen Moment vergessen zu atmen, und jeder blickte wie hypnotisiert nach oben. Auch
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