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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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mitrennen … ein Schwung! Hilfreiche Hände ziehen ihn in den Wagen.Japsend steht er zwischen den Menschen. Der Zug rast nach dem Westen. Wenn jetzt ein Kontrolleur kommt, Ludwig, bist du geliefert.
    Und Herr Hackelberg? Tat, was er tun konnte. Ließ sein Gepäck im Stich, würgte hinterdrein und schrie sein „Halt! Halt!“ Sein Pech, daß gerade ein Zug abfuhr. Der Bahnsteigbeamte bezog das Halt! auf den Zug und glaubte, daß Herr Hackelberg noch aufspringen wollte. Pflichtgemäß hielt er ihn zurück. Hielt ihn fest. Und ehe Herr Hackelberg, wie man versteht etwas konsterniert, alles erklären konnte, war Ludwig über alle Täler und Höhen. Nur das Gepäck war noch zu retten. Also zurück zum Präsidium. Schriftlichen Bericht aufsetzen. Seine Schuld war es nicht. In den Transportpapieren stand ausdrücklich: Von einer Fesselung kann abgesehen werden.
    Drei Stationen fährt Ludwig. Dann steigt er um und fährt nach einer anderen Richtung. Steigt wieder um. Stets steht er an der Tür, um sofort, wenn ein Kontrolleur zusteigt, den Wagen verlassen zu können. Was jetzt? Zurück zur Clique! Allein ist man aufgeschmissen in Berlin. Nicht einen Sechser Geld hat er. In die Gegend der Münze, der Blutsbrüder Heimat, so überaus nahe dem Polizeipräsidium, traut er sich nicht. Wie aber soll er Jonny oder einen anderen der Clique benachrichtigen? Er könnte bei Schmidt anrufen, um diese Zeit ist sicher einer von der Clique dort. Aber der Groschen zum Telephonieren! Der Zug rast. Ludwig sieht nicht einmal auf die Stationsnamen. Woher den Groschen nehmen?Drüben auf dem Sitz liegt eine herrenlose Zeitung vom heutigen Tag. Neu, kaum auseinandergefaltet. Ludwig nimmt sie an sich. B. Z. am Mittag. Eine Idee blitzt in Ludwig auf. Der Zug hält auf einer Station. Gesundbrunnen. Schnell steigt er aus. Ans Oberlicht, auf die Brunnenstraße. Er geht in Richtung Badstraße. Guckt auf die Uhr, in die Zeitungsstände. Nein, sie ist noch nicht hier. Hier, im hohen Norden, kommt sie immer erst gegen einhalb ein Uhr.
    Noch einmal blickt Ludwig sich nach allen Seiten um. Schupo? Nein. Jetzt wagt er es. Er ruft: „B. Z. am Mittag! … B. Z. am Mittag!“ und trägt die Zeitung ausgestreckten Armes vor sich her. Viermal hat er gerufen, da ist er die Zeitung los und hat einen Groschen zum Telephonieren. Zurück zum Bahnhof Gesundbrunnen in eine Telephonzelle. Die Anschlußnummer von Schmidt hat er noch im Kopf. Noch ehe sich jemand gemeldet hat hört er Musik. Handfeste Trompeten- und Paukengeräusche. Ein glückliches Lächeln geht über sein Gesicht. Die alte Heimat Schmidt. Dann meldet sich jemand. Jonny ist da! Er hört. Fragt nicht lange. Nur: Wo bist du jetzt? Wo können wir uns treffen, ich komme sofort per Taxe. Ludwig bestellt ihn nach dem Essigkientopp. Jonny weiß Bescheid. In fünfzehn Minuten spätestens ist er da. Schluß.
    Essigkientopp? Ecke Brunnen- und Voltastraße befindet sich eine große Essigfabrik. In der ganzen Umgebung schwebt ein ewiger beißender Essiggeruch. Die Passanten gehen mit fest verschlossenem Munde vorüber. Der Essiggeruch läßt ihnen das Wasser im Munde zusammenlaufen. Neben der Essigfabrik: ein Kino, bekannt als Essigkientopp.
    Ludwig fühlt sich noch sehr unsicher, geht in einen Hausflur und beobachtet von dort, ob eine Taxe vor dem Kino hält. Da ist er, Jonny. Er sieht sich suchend um. Ludwig fliegt über die Straße. „Tag, Jonny!“ Er kann die Freude nicht zurückhalten, ein paar Tränen, schnell mit dem Handrücken beseitigt, kollern aus den Augen. Jonny kennt sich aus in solchen Situationen. Er gibt Ludwig fest die Hand und schleppt ihn in eine Kneipe. Eine kleine Abregung, dann soll Ludwig in irgendeiner unauffälligen Konditorei erzählen. Nach dem Bier und Kognak wird Ludwig wieder ruhiger. Sie gehen in ein kleines Café. In dem Hinterzimmer sind sie die einzigen Gäste, Ludwig kann getrost auspacken. Zuerst kommt ein prima Bohnenkaffee und Torte mit Schlagsahne. Dinge, die Ludwig seit langem nicht einmal gesehen hat. Er erzählt. Beginnt mit dem Burschen am Stettiner Bahnhof. „Den Raben werden wir uns kappen“, sagt Jonny.
    Nach einer halben Stunde ist Jonny von allem unterrichtet. In den nächsten Tagen wird es etwas brenzlich für Ludwig werden. Die Polizei wird ihn suchen. Und wenn Ludwig geschnappt wird, ist es natürlich aus mit der Bewährungsfrist, dann heißt es die vier Monate absitzen. Aber die ganze Chose ist halb so schlimm. Ein Schwerverbrecher ist Ludwig nicht. Und

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