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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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Luftschaukel steht Elly, ein hübsches, üppiges Ding von sechzehn Jahren und starrt sehnsüchtig auf die sausenden Gondeln. Der kleine Willi kennt Elly. „Willst du sie ham?“ fragt er Willi Kludas. Die Bekanntschaft ist schnell perfekt. Willi nimmt Billetts für drei Fahrten und steigt mit Elly in eine Gondel. Reißt an dem Strang, daß die Gondel nach wenigen Schwüngen das obere Gerüst berührt und der Wärter mit aller Kraft bremsen muß. Mit koketter Ängstlichkeit klammert die sitzende Elly sich an Willis Beine. Noch eine Fahrt und noch eine, dann stehen sie wieder auf der Erde. Elly reckt sich, streicht die wild zerzausten Haare glatt und zeigt dem hungrigen Willi, wie sie gewachsen ist. Hübsch ist er, der Junge, und Kraft hat der …
    Ein Junge, der weiß, was er seiner neuen Braut schuldig ist, lädt sie unbedingt zum Kartoffelpuffer ein. Der Kleine tut es für den glotzenden und verlegenen Großen. Nach dem Kartoffelpuffer sitzt Willi neben Elly in einem Wägelchen auf dem Eisernen See. In den Kurven versteht Elly es ausgezeichnet, dem Jungen neben sich die Weichheit ihres Körpers zu spüren zu geben. Wie ein Betrunkener taumelt Willi aus dem Wagen und preßt Ellys Arm an sich. Wo ist denn der Kleine geblieben? Gut, daß er weg ist. Werden uns schon wiedertreffen bei der Olga. Elly möchte etwas trinken. Wo, fragt Willi. Sie gehen in den Walfisch gegenüber dem Rummel.
    In dem großen Bierlokal baumeln die Bockbiergirlanden vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Die Stimmungskapelle, Trompete und Pauke spielen in ihr die erste Geige, hat offenbar den strikten Befehl, ihr ganzes Sinnen und Trachten auf möglichst umfangreiche Geräuscherzeugung zu richten. Und das gelingt ihr, schon aus Selbsterhaltungstrieb. Denn die Unterhaltung der Gäste in dem überfüllten Lokal ist ein feuchtfröhliches Schreien und Randalieren. Die schmalen Durchgänge zwischen den einzelnen Tischen sind längst von den scharrenden, rückenden Stühlen eingenommen. Das ganze Lokal ist ein wimmelndes Durcheinander, eingehüllt in dichten Tabaksdunst nicht immer rein überseeischer Qualitäten. Zwischen allem, Pfadfinder auf verlorenem Posten, die Kellner. An jedem der zehn Finger klebt, allen physikalischen Schwerkraftgesetzen zum Trotze, eine Molle. In die Armbeugen beider Arme geklemmt, womöglich nochje ein Ovalteller mit gewichtigen Eisbeinportionen.
    Die Kapelle sieht ein, daß sie ihren Instrumenten unbedingt eine Pause gönnen muß, wenn sie sie noch bis zur Polizeistunde benutzen will, und gibt der Pauke einen Wink, mit einem extrakräftigen Bumm zu enden. Das geschieht. Ein, zwei Sekunden währt das groteske Hörbild einer wild schreienden Menge, deren Stimmbänder eben noch auf harten Kampf mit der Geräuschkapelle eingedrillt waren. Dann, ob des eigenen Gebrülles baß verwundert, schweigt das Lokal. In diese Stille einer Sekunde drängt sich eine Mädchenstimme, hoch, kräftig, aber angenehm: Zigarren, Zigaretten, Schokolade! Das Zigarettenmädchen. Willi winkt es heran. Für sich Zigaretten, für Elly eine Tafel Schokolade. Da bringt der Ober das bestellte Bier in riesigen Zehn-Zwanzigstel-Gläsern. Als Willi bezahlt hat, bleiben ihm noch zwanzig Pfennig. Ist ihm ganz schnuppe. Elly hat ihren Mantel ausgezogen und präsentiert sich ihrem Jungen in einem knallroten dünnen Fähnchen, das auf alle Annehmlichkeiten ihres Körpers mit Stentorstimme hinweist. Elly sieht wohl Willis starre und brennenden Blicke und rückt noch näher an ihn heran. — Die Kapelle hat inzwischen aus spendierten Mollen frische Kräfte geschöpft und legt wieder los. Auch die Gäste schreien sich wieder ins Gesicht und freuen sich scheinbar an der gesunden Kraft ihrer Stimmittel.
    Um elf Uhr bringt Willi seine Elly nach Haus. Elly ist Alleinmädchen, ihre Dienstherrschaft bewohnt eine Parterrewohnung, und Elly hat ein Stübchen, das auf den Hofmündet. Wildklopfenden Herzens steht Willi auf einem stockdunklen Hof und wartet, bis sich irgendwo ein Parterrefenster öffnet. Einige Minuten später sitzt er in Ellys Stübchen. Viel reden dürfen sie nicht. Die Herrschaft schläft zwar vorn, aber … Steif und stumm wie ein Klotz sitzt Willi da. Angst, Verlegenheit, Gier nach dem Mädchen quirlen und jagen chaotisch durcheinander. Er sieht, wie Elly sich auszieht. Wie aus dem roten Kleid zwei weiße runde Arme aufblühen. Ein leiser, vollends verwirrender Geruch warmen Mädchenfleisches umweht ihn und läßt ihn unterdrückt aufstöhnen. Elly plumpst

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