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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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nicht auseinander brauchten, Willi. Wenn ich einen Kumpel hab’ wie dich, ist mir nicht bange, daß ich schließlich doch wieder zu Jonny muß.“
    Am frühen Morgen bringt das Transportauto sie nach dem Alexanderplatz. Wieder einmal ist Ludwig im Hammelstall. Willi sieht das Polizeigefängnis zum erstenmal von innen. Jeder wird in eine Einzelzelle gebracht. Besprochen haben sie ja alles. Am übernächsten Tag wird Willi dem Vernehmungsrichter vorgeführt. „Gegen Sie schwebt ein Verfahren wegen Körperverletzung, begangen an dem ErzieherFriedrich. Dann liegt ein Zuführungsersuchen der Anstalt in H. vor. Sie werden also nach H. transportiert. Eine größere Summe Bargeld — hundertfünfzig Mark — ist bei Ihnen gefunden worden. Laut Protokoll wollen Sie es durch ehrliche Arbeit verdient haben. Erzählen Sie mal.“ Willi erzählt. Alle Berührungspunkte mit der Clique verschweigt er. Der Richter macht sich Notizen und Willi wird wieder abgeführt.
    Ludwigs Aussagen decken sich mit Willis Angaben. „Sie müssen damit rechnen, daß die Bewährungsfrist widerrufen wird und Sie die Strafe von vier Monaten Gefängnis antreten müssen. Das heißt natürlich, sich nicht bewähren, wenn man dem Transporteur ausrückt!“
    Einige Tage vergehen. Nur während der Freistunde auf dem Gefängnishof sehen Ludwig und Willi sich von weitem. Verständigen können sie sich nicht. Nachmittags wird Ludwig wieder dem Richter vorgeführt. „Wir haben Nachforschungen bei Ihrer Wirtin in der Ziethenstraße angestellt. Die Frau stellt Ihnen ein sehr gutes Zeugnis aus. Infolge dieses guten Leumundes hat das Jugendgericht auch die Bewährungsfrist aufrecht erhalten. Sie werden morgen mit Ihrem Kameraden Willi Kludas nach H. transportiert. Aber machen Sie keine Dummheiten und rücken dem Transporteur wieder aus. Dann müssen Sie die Strafe absitzen.“ Willi wird eröffnet, daß er vorläufig in die Anstalt gebracht werde, um dann dem zuständigen Gericht wegen der Körperverletzung zugeführt zu werden.
    Am nächsten Morgen sehen sie sich im Hammelstall wieder. In einem Polizeiauto fahren sie mit den beidenTransporteuren zur Bahn. Als der Zug anfährt, sehen Willi und Ludwig sich an: in sechs Monaten sind wir wieder in Berlin. — —



Am späten Abend treffen die beiden Transporteure mit Ludwig und Willi in der Zielstation ein. Hier kroch Willi vor vier Monaten in die Holzwolle, die für Köln bestimmt war. Am Bahnhof erwartet sie ein Anstaltsfuhrwerk, sie fahren die Chaussee, die Willi in entgegengesetzter Richtung gelaufen war. In die Freiheit ging es damals: eins … zwei … drei … vier, eins … zwei … drei … vier …, feste, Willi, feste! Langsam zuckelt der Wagen der Anstalt näher.
    Die Zöglinge sind schon in den Schlafsälen, Willi und Ludwig werden sofort dem Direktor vorgeführt. Der Gewaltige betrachtet erst einmal gruß- und wortlos die ihm ausgelieferten Jungen. Besonders auf Willi scheint er scharf zu sein, von wegen der Prügel, die Herr Friedrich damals bekommen hat. Umständlich zündet er sich eine Zigarre an und wendet sich Willi zu: „Du weißt doch, Kludas, daß gegen dich ein Gerichtsverfahren wegen Körperverletzung schwebt, nicht?“ „Herr Direktor, Sie sind nicht berechtigt, mich zu duzen. Antwort geb ich nur, wenn Sie mich so anreden, wie es mir zukommt. Ich bin in sechs Monaten mündig“, erwidert Willi leise mit aller Zurückhaltung, aber im Unterton der Worte lauert der Rebell. „Schau an, gesiezt wollen die Jüngelchen werden. Die Herren Rumtreiber!“ Wütend fährt der Direktor von seinem Stuhl auf und pfeffert die Zigarre in den Aschenbecher. „Was habt ihr denn getrieben in Berlin? Geklaut habt ihr, auf den Strich gegangen seid ihr! Und so was soll ich siezen? Wollt ihr mir vielleicht erklären, wovon ihr sonst gelebt haben wollt ohne Papiere? Du, Ludwig, fast zwei Jahre und du über vier Monate!“
    „Gucken Sie man mal in unsere Akten, da steht alles drin,Herr Direktor. Ehrlich gearbeitet haben wir. Und Willi hat sich sogar hundertfünfzig Mark gespart!“ trotzt Ludwig auf. Willi gibt keine Antwort, aber um seine Mundwinkel kommt ein tiefer, gefährlicher Zug. Der Direktor merkt wohl, wie es um Willi steht. „Ich werde mir den Bericht von Berlin durchlesen, alles weitere findet sich morgen.“ Er klingelt. Der Erzieher Friedrich erscheint. „Herr Friedrich, Ihr besonderer Freund, der Kludas, kommt in Saal eins und der Ludwig in Saal zwei.“
    Saal eins liegt scheinbar in tiefem

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