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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Haffner
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warum …“ Aber der Direktor und jeder Erzieher merkten, daß Georg alles wußte, daß Angst ihm den Mund verbot. „Begieß die Blumen, Georg.“ Resultat der Konferenz: wir wissen zwar nichts, aber wir wissen doch! Striktes Rauchverbot für alle Zöglinge, Urlaubssperre, drakonische Durchführung der Strafmaßnahmen bei kleinsten Vergehen. Bis wieder geordnete Verhältnisse eintreten. Bericht an die vorgesetzte Behörde mit der Bitte um Verhaltungsmaßregeln.
    Und was war los? Was war Ursache der stillen Revolte? Ein fast alltäglicher Vorgang. Willi Kludas, der zwanzigjährige Zögling, hatte von Herrn Friedrich, dem verhaßtesten Erzieher, wegen einer Ungehörigkeit eine Ohrfeige bekommen. Ausgerechnet an seinem Geburtstag hatte Willi sie bekommen. Scheinbar ruhig hatte er sie eingesteckt. In der Nacht aber rief er zum stillen Aufruhr auf. Als vorläufige Rache. Dann wollte er Herrn Friedrich die Ohrfeige mit guten Zinsen zurückzahlen und aus der Anstalt flüchten. Für die Rückerstattung der Ohrfeige nebst Zinsen hatte Willi sich einen besonderen Plan ausgeheckt, in den er nur seine sechs besten Freunde, die brauchte er dazu, einweihte.
    Zwei Tage weiter. Zwischen zehn und elf Uhr nachts. Der ganze Schlafsaal weiß, daß heute nacht etwas vor sich gehen soll. Aber nur sieben Jungen, Willi und seine sechs Freunde, wissen, was passieren wird. Vor einer halben Stunde war neben dem Bett Georg Blausteins auch wieder das Gesicht aufgetaucht und hatte fürchterliche Drohungen ausgestoßen, wenn … Willi weiß, wenn jetzt Krach gemacht wird, kommt sein Freund Friedrich herein. Und das ist gut. Sehr gut. Die sieben Jungen beginnen programmgemäß mit einer ungenierten Unterhaltung, die laut und lauter wird. Streng nach Programm klopft es auch bald von draußen: „Ruhe, da drinnen!“ Herrn Friedrichs Stimme. Gut. Nun erst einmal Ruhe. Aber nicht zu lange. Plötzlich machen die Verschworenen einen Heidenkrach, der ganze Saal sitzt aufrecht in seinen Betten. Dann schnappen sich zwei von Willis Freunden ein Bettlaken und laufen barfuß zur Tür.Da kommen auch schon die Schritte des Herrn Friedrich. Auf geht die Tür. Ein Schalter knackt. Es bleibt dunkel. Zwei Gestalten mit vorgehaltenem Laken stürzen sich auf den im dunklen Saal stehenden Erzieher Friedrich. Werfen ihm die Laken über den Körper. Vier andere Freunde halten Hände und Füße fest, ein kaum hörbares Würgen kommt unter dem Tuch hervor. Dann fällt Willi über das weiße Bündel her. Nur das Klatschen der Schläge ist zu hören, der ganze Saal muckst nicht. Mit einem Griff haben die Jungen ihre Laken wieder, und Herr Friedrich fliegt wenig sanft auf den Korridor. Die Tür fällt ins Schloß, die Rächer sausen in ihre Betten.
    Eine halbe Stunde vergeht — die Laken konnten unterdes wieder sauber ausgebreitet werden — da kommen Direktor und mehrere Erzieher notdürftig bekleidet, aber bewaffnet in den Schlafsaal. Aber Licht gibt es auch jetzt noch nicht. Zwei Zöglinge müssen erst aus ihrem festen Schlaf geweckt werden. Sie sollen Leitern holen und neue Birnen einschrauben. Dann endlich wird es hell, und jetzt ist es kein Wunder mehr, daß alles wacht und das unterhosene Direktorium anstarrt. Der Tatbestand ist, daß Herr Friedrich, übrigens ziemlich glimpflich, verprügelt wurde von mehreren Gestalten in Nachthemden. Aber von welchen Nachthemden? Der ganze Saal sagt einstimmig: „Ich bin erst von dem Lärm aufgewacht.“ Georg Blaustein aber übertrumpft alle. Er ist nicht nur von dem Lärm nicht aufgewacht, nein, er schläft vor Angst auch jetzt noch. Die Untersuchung wird ergebnislos abgebrochen. Jeder derJungen weiß, daß sie alle eine Gesamtstrafe treffen wird. Wenn schon. Aber der Friedrich hat es gekriegt. Das wiegt alle Strafen auf.
    Am Morgen gehen keine Arbeitskommandos los. Alles bleibt in der Anstalt zur Vernehmung. Besonders verdächtige und besonders gute Jungen werden einzeln vernommen. Die anderen in kleinen Gruppen. Das Ergebnis der Untersuchung wird streng geheim gehalten. Auch Strafen sind noch nicht bekannt geworden. Der Vorfall ist zu schwerwiegend. Die vorgesetzte Behörde soll um Entsendung einer Untersuchungskommission gebeten werden. Herr Friedrich hat sich krank gemeldet.
    Heute abend wird getürmt , steht für Willi Kludas fest. In einem Brief, den ein Junge erst am nächsten Morgen finden soll, will er hinterlassen, daß er der Alleinschuldige ist. Die bei der Prügelei geholfen hätten, habe er unter Drohungen

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