Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)
verlangt Ausweispapiere. Also verkaufen, der warme Christoph nimmt sie sicher.
Der warme Christoph, eine Schöneberger Hehlertype, hat Interesse. Er bietet dreißig Mark, er weiß, hundert Mark zahlt ihm jede Pfandleihe für die schwergoldene Uhr. Bis vierzig Mark läßt er mit sich handeln. Dann ist Schluß. Die Preise müssen gehalten werden. Fred kassiert die vierzig Mark,er hätte die Uhr auch für zwanzig hergegeben. Vorerst lädt er seine Kameraden zum warmen Essen bei Aschinger ein. Dann bringt eine Taxe die drei nach der Lothringer Straße, zur Alten Post.
Alle Blutsbrüder sind versammelt. Fred, der Held und Ausbrecher wird mit großem Hallo empfangen. Der Kellner kriegt zu tun. Fred bestellt Glühwein, Zigaretten und Schokolade für alle. Aber jetzt muß Fred berichten. Sogar seine Kameraden werden still, als er erzählt, der Olle habe ihn „bloß immer so anjekiekt, als ob er gleich losheulen wollte …“ Glühwein wird auf die Dauer zu teuer. Fred will sich besaufen, bis er umfällt. Aber möglichst billig. Sie gehen in die Elsasser Straße in eine der berüchtigten Rabandschen Großdestillationen. Hier ist Trunkenheit für billiges Geld zu haben. Für zehn Pfennig bekommt man einen Schnaps, der wie Pfeffer in der Kehle brennt. Fred läßt also gleich etliche Doppelschnäpse auffahren. Er kommandiert: „Blutsbruder! …“ alle fassen ihr Glas, „Sauf!“ alle stürzen den Fusel hinunter. Neue Lage, noch eine Lage. „Blutsbruder … sauf!“
Den stillen Heinz hat der Alkohol rebellisch gemacht. Er ist der lauteste von allen. „Zehn Schnäpse hintereinander? Kleinigkeit!“ renommiert er. Fred bestellt zehn Schnäpse. Vor Heinz werden sie aufgebaut. „Blutsbruder … sauf!“ „Sauf … sauf … sauf“, kommandiert Fred schadenfroh. Beim fünften Glas kippt Heinz vom Stuhl wie ein leerer Handschuh. Das junge Gesicht ist leichenfahl und verzerrt, der Inhalt des letzten Glases läuft wieder aus dem Munde heraus.Weiter geht das sinnlose Trinken der anderen. Kurz vor der Polizeistunde setzen sich zwei alte, aufgeschwemmte Prostituierte zu den Blutsbrüdern, und Fred traktiert auch sie mit Schnäpsen, soviel die ausgepichten Kehlen nur wollen. Dann, als Feierabend geboten wird, kommen die Weiber aufs Geschäft zu sprechen. Jonny, Fred, der wiedererwachte Heinz und Konrad werden von den beiden Kaulquappen ins Schlepptau genommen, um die letzten Groschen zu erbeuten. Ludwig torkelt mit den anderen Kameraden in eine Herberge in der Linienstraße. Morgen wird man sich schon irgendwo wiedertreffen.
Der Glanz der vierzig Mark ist schnell verblichen. Ein runder lumpiger Taler ist dem Spürsinn der beiden Weiber entgangen. Am späten Nachmittag hatte die Clique sich im Münzhof gefunden. Der Taler wird in Bier und Zigaretten umgesetzt. Jetzt erst bemerkt Ludwig, daß Heinz fehlt. „Heinz mußte zur Rettungsstelle gehen“, erwidert Jonny kurz angebunden. In der Behausung der beiden Weiber war Heinz wieder in Renommiersucht verfallen. Das mißlungene Experiment mit den zehn Schnäpsen wollte er jetzt durch eine Schaunummer mit den Weibern wieder gutmachen. Fünfmal …? Die betrunkenen Weibsbestien hatten sich johlend der Manneskraft des Achtzehnjährigen bemächtigt und den Jungen nicht eher aus der Umklammerung ihrer feisten Schenkel gelassen, bis der mißhandelte Körper Blut ausschied. Stunden später konnte Heinz nicht mehr gehen. Er mußte in die Mitte genommen und zu einer Rettungsstelle gebrachtwerden, von der er jetzt, nach fünf Stunden, noch nicht zurück war.
Fred, so schön im Zuge mit dem Geldanschaffen, hat eine neue Idee, mit der mindestens dreihundert Mark zu verdienen sind. Aber Fred braucht zur Verwirklichung seines Planes drei, vier Helfer. Er hat aus seiner Strichjungen -Zeit noch eine alte, treue Liebe. Einen sehr begüterten Butterhändler, den man, zumal wenn vier und mehr Mann in Erscheinung treten, sehr gut um einige Hunderter erleichtern kann. Als Helfer sucht Fred sich Jonny, Konrad, Hans und Erwin aus. Dann geht er ans Telephon. Kommt wieder und erzählt, daß er seinen Fritzen zu acht Uhr in den Tiergarten bestellt hat. Die Aufgabe der Helfer sei nun, ihn mit seinem Freier in einer verfänglichen Situation zu überraschen. Die vier Fremden hätten sehr entrüstet zu tun und mit der Polizei zu drohen. Dann würde Fred, außer sich vor Angst, den Händler bitten, das Schweigen der Leute doch mit Geld zu erkaufen. Und dieses Schweigen würde eben mit dreihundert Mark berechnet
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